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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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war Fergus.« Sie ließ den Namen zwischen ihnen stehen.
    »Ich nehme an, Sie wissen nicht, wo ich Fergus finden kann?«
    »Sie könnten mit seinem Vater sprechen, wenn Sie zurückkommen. Er besucht oft um diese Jahreszeit seine Familie«, erklärte Susan. »Willie hält es nicht für nötig, dies Sir Broderick mitzuteilen. Aber ich weiß darüber Bescheid.«
    »Danke.«
    »Und ich werde zusehen, was ich wegen Tage- und Adressbüchern tun kann. Aber freuen Sie sich nicht zu früh. Das Problem mit Künstlern ist, dass sie ihre Arbeiten für sich sprechen lassen. Wann kommen Sie zurück?«
    »Ich weiß nicht genau. Es hängt davon ab, wie ich morgen vorankomme. Ich werde es Sie wissen lassen.«
    Es gab nichts mehr zu sagen, keine Nettigkeiten. Bel konnte sich nicht erinnern, wann es ihr zum letzten Mal so vollkommen misslungen war, mit einer Frau Kontakt aufzunehmen. Sie hatte sich in ihrem ganzen Erwachsenenleben die Fähigkeit angeeignet, Leuten so sympathisch zu sein, dass sie ihr Dinge anvertrauten, die sie eigentlich niemandem erzählen wollten. Aber bei Susan Charleson hatte sie versagt. Dieser Job, der zu Anfang kaum mehr als eine geringe Chance war, einen als öffentlichkeitsscheu bekannten Mann zum Reden zu bringen, hatte ihr auf ganz unerwartete Weise zu Selbsterkenntnis verholfen.
    Was kam wohl als Nächstes, fragte sie sich und nahm einen großen Schluck Wein. Was war das Nächste?

[home]
Mittwoch, 4. Juli 2007,
East Wemyss
    I rgendeine amerikanische Sängerin schmetterte einen forschen Alternative-Country-Song über den Unabhängigkeitstag. Nur ging es nicht um Stars and Stripes, sondern um prügelnde Ehemänner und wie man mit ihnen umspringen sollte. Als Polizistin konnte Karen das nicht gutheißen. Aber als Frau musste sie zugeben, dass die Lösung des Problems in dem Song eine gewisse Anziehungskraft besaß. Wenn Phil da gewesen wäre, hätte sie mit ihm um ein Pfund gegen eine goldene Uhr gewettet, dass der Mann, den sie gleich treffen würde, sich in seinem Autoradio nicht »Independence Day« anhörte.
    Sie fuhr langsam die schmale Straße hinauf, die dorthin führte, wo einst das Zechenhaus und die Büros der Zeche Michael gewesen waren. Jetzt war da, wo die Kantine und die Lohnbüros gestanden hatten, nichts mehr außer einer zerfurchten Fläche auf hartem Boden. Alles andere war landschaftlich gestaltet und umgewandelt. Ohne den rostroten Mast des Fördergerüsts war es schwer, sich zu orientieren. Aber am anderen Ende der Asphaltfläche stand ein einzelnes Auto dem Meer zugewandt. Ihr Gesprächspartner.
    Der Wagen, neben dem sie anhielt, war ein älterer, spiegelblank polierter Rover. Die Unmenge toter Insekten auf ihrem Nummernschild machte sie ein bisschen verlegen. Die Tür des Rovers öffnete sich im gleichen Augenblick wie ihre, und beide Fahrer stiegen zugleich aus wie in einer choreographierten Filmszene. Karen ging zur Motorhaube ihres Wagens und wartete, bis er auf sie zukam.
    Er war kleiner, als sie erwartet hatte, und musste sich gestreckt haben, damit er die für Polizisten vorgeschriebenen einen Meter zweiundsiebzig erreichte. Vielleicht hatte sein Haar den Ausschlag gegeben. Es war jetzt stahlgrau, aber die Schmalzlocke hätte sogar Elvis neidisch gemacht. Als Brian Beveridge noch im Dienst war, hatte er den Rock-’n’-Roller-Entenschwanz und die Koteletten nicht tragen können, aber den Ruhestand hatte er für seine Haartracht wirklich genutzt.
    Wie Elvis hatte er seit den Tagen, in denen er auf den Straßen der Wemyss-Dörfer herumstolzierte, beträchtlich zugelegt. Die Knopflöcher seines weißen Hemds spannten über einem beachtlichen Bauch, aber seine Beine waren unverhältnismäßig dünn und seine Füße überraschend zierlich. Sein Gesicht hatte die gerötete Farbe und Fleischigkeit eines Mannes, der auf eine Herz-Kreislauf-Katastrophe zusteuert. Wenn er lächelte, wurden seine Wangen zu festen roten Bällchen, als hätte sie jemand mit Watte ausgestopft. » DI Pirie?«, fragte er aufgeräumt.
    »Karen«, sagte sie. »Und Sie müssen Brian sein? Danke, dass Sie herausgekommen sind, um mich zu treffen.« Es war, als drücke man dem Teigmännchen von Pillsbury die Hand, ganz weich hüllte sie einen warm ein.
    »Es ist besser, als im Garten zu werkeln«, erwiderte er, und sein breiter Dialekt aus Fife klang äußerst ausgeprägt. »Ich helfe immer gern. Dreißig Jahre war ich in den Dörfern auf Streife, und wenn ich ehrlich bin, fehlt mir dieses Gefühl, jeden Gehweg und

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