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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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die Arbeit gemacht, die entscheidend war. Wir wären immer noch am Nullpunkt, hättest du nicht die Höhle ausgraben lassen und die Typen aus Nottingham gründlich befragt. Wenn du Filme schon zitieren willst, dann denk dran, dass es heißt: ›Wenn die Legende zur Wahrheit wird, druck die Legende.‹ Du bist eine Legende, Karen. Und das hast du auch verdient.«
    »Sei still, du bringst mich in Verlegenheit.«
    Phil lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und grinste sie an. »Kann man hierher ’ne Pizza liefern lassen?«
    »Warum? Lädst du mich ein?«
    »Ich lade dich ein. Wir dürfen jetzt wirklich ein bisschen feiern, meinst du nicht? Wir sind weit gekommen mit der Aufklärung von zwei ungelösten Fällen. Selbst wenn wir Andy Kerrs Ermordung als eine Art Negativbonus dazubekommen haben. Bestell du die Pizza, ich seh mal deine DVD s durch.«
    »Ich sollte mit den Italienern reden«, überlegte Karen halbherzig.
    »Wenn du die Zeitdifferenz einrechnest, ist es dort fast acht. Meinst du wirklich, da ist noch jemand in einer höheren Stellung da? Da kannst du geradeso gut bis morgen warten und mit dem Typ sprechen, mit dem du schon zu tun hattest. Entspann dich doch mal. Schalt ab. Wir trinken den Wein aus, ziehen uns die Pizza rein und sehen uns einen Film an. Was meinst du?«
    Ja, ja, ja!
»Klingt nach einem guten Plan. Ich hol die Bestellliste.«

[home]
Celadoria bei Greve
im Chianti-Gebiet
    A ls Bel in östlicher Richtung aus Greve hinausfuhr, sank im Rückspiegel die Sonne als roter Ball hinter die Hügel hinab. Grazia hatte sie in einem Café an der großen Piazza getroffen und ihr den Zettel mit der Wegbeschreibung zu der einfachen Hütte gegeben, in der Gabriel Porteous wohnte. Nur etwas mehr als drei Kilometer außerhalb der Stadt fand sie die richtige Abzweigung, die auf die Karte gekritzelt war. Sie fuhr langsam und hielt Ausschau nach zwei steinernen Torpfosten auf der linken Seite. Gleich danach sollte links ein Feldweg abgehen.
    Und da war er. Ein schmaler Pfad zog sich zwischen Rebenzeilen hin, die der Form des Hügels folgten. Wenn man nicht danach suchte, würde man ohne einen zweiten Blick daran vorbeifahren.
    Bel war jedoch auf der Suche und zögerte nicht. Auf der Karte war links vom Weg ein Kreuz eingezeichnet, aber sie war offensichtlich nicht im richtigen Maßstab. Als die Entfernung von der Straße wuchs, überkam sie die Angst. Dann erschien plötzlich ein von der untergehenden Sonne rotgefärbtes niedriges Steinhaus im Blickfeld. Es war schon fast zerfallen. Das war allerdings nichts Ungewöhnliches, nicht einmal in einem so angesagten Teil der Toskana wie dem Chianti-Gebiet.
    Bel hielt an, stieg aus und streckte sich, nachdem sie stundenlang gesessen hatte. Bevor sie auch nur zwei Schritte gemacht hatte, ging knarrend die Tür auf, und der junge Mann von den Fotos erschien in der Tür. Er trug abgeschnittene Jeans und ein schwarzes Muskelshirt, das die gleichmäßig gebräunte Haut betonte. Seine Haltung war lässig; eine Hand lag auf der Tür, die andere am Türpfosten, und sein Gesichtsausdruck war höflich fragend. Wenn man ihn leibhaftig sah, war die Ähnlichkeit mit Brodie Grant so offenkundig, dass es einem unheimlich vorkam. Nur die Farben waren andere. Während das Haar des jungen Brodie so schwarz gewesen war wie das von Cat, war Gabriels hellbraun mit helleren, goldenen, von der Sonne gebleichten Strähnen. Davon abgesehen hätten sie Brüder sein können.
    »Sie müssen Gabriel sein«, begrüßte ihn Bel auf Englisch.
    Er neigte den Kopf zur Seite, und seine Augenbrauen zogen sich zusammen, so dass die tiefliegenden Augen noch dunkler überschattet waren. »Ich glaube nicht, dass wir uns kennen«, sagte er. Er sprach ein Englisch, in dem die Satzmelodie des Italienischen durchklang.
    Sie trat näher und streckte die Hand aus. »Ich bin Bel Richmond. Hat Andrea von der Galerie in San Gimignano nicht erwähnt, dass ich vorbeikommen würde?«
    »Nein«, entgegnete er und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe keine Arbeiten meines Vaters zum Verkaufen da. Hier herauszukommen war Zeitverschwendung.«
    Bel lachte. Es war ein leichtes, nettes Lachen, an dem sie jahrelang gearbeitet hatte, damit sie es in solchen Momenten wie jetzt über die Schwelle schaffte. »Sie haben mich falsch verstanden. Ich versuche nicht, Sie oder Andrea übers Ohr zu hauen. Ich bin Journalistin, hatte von den Arbeiten Ihres Vaters gehört und wollte ein Feature über ihn schreiben. Und dann

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