Nacht unter Tag
den Kopf nach hinten warf. »Und das ist Ihr Großvater.« Sie zeigte ein Pressefoto mit dem Kopf von Brodie Grant im Alter von vierzig Jahren. Sie blickte auf und sah, dass Gabriels Brust sich im Rhythmus seines schnellen, flachen Atems hob und senkte. »Die Ähnlichkeit ist frappierend, finden Sie nicht?«
»Sie haben also zwei Leute gefunden, die mir ein bisschen ähneln. Was beweist das?« Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und kniff gegen den Rauch die Augen zusammen.
»Für sich allein genommen – nichts. Aber Sie sind mit einem Mann nach Italien gekommen, der den Namen eines Jahre zuvor verstorbenen Jungen angenommen hat. Sie beide tauchten nicht lange, nachdem Adam Maclennan Grant und seine Mutter entführt worden waren, hier auf. Adams Mutter starb, als die Lösegeldübergabe missglückte, aber Adam verschwand ohne eine Spur.«
»Das ist ziemlich dürftig«, bemerkte Gabriel. Er sah ihr jetzt nicht mehr in die Augen, trank sein Glas aus und goss sich nach. »Ich sehe keine wirkliche Verbindung zu mir und meinem Vater.«
»Die Lösegeldforderung wurde in einer sehr spezifischen Form vorgebracht. Ein Poster mit einem Puppenspieler. Das gleiche Poster tauchte in einer Villa in der Nähe von Siena auf, die zuvor von einer Puppenspielertruppe besetzt worden war. Der Anführer der Truppe war ein Typ namens Matthias.«
»Ich kann Ihnen nicht folgen.« Er blickte zwar über ihre Schulter hinweg, aber sein Lächeln war äußerst charmant. Genau wie das seines Großvaters.
Bel legte ein Foto von Gabriel bei der Party in Boscolata auf den Tisch. »Falsche Antwort, Adam. Das sind Sie mit Ihrem Vater als Gast von Matthias bei einer Party. Das bringt Sie in Zusammenhang mit einer Lösegeldforderung, die vor zweiundzwanzig Jahren für Sie und Ihre Mutter gestellt wurde. Und das ist mehr als nur eine Andeutung, finden Sie nicht?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, entgegnete er. Aufgrund der Treffen mit Brodie Grant erkannte sie den trotzig angespannten Unterkiefer. Jetzt könnte sie wirklich gehen und sich auf den DNA -Test verlassen, der den Rest erledigen würde. Aber sie konnte sich nicht zurückhalten. Der Instinkt der Journalistin, das Spiel weiterzutreiben und sich den Knüller zu sichern, war zu stark.
»Natürlich wissen Sie das. Es ist eine tolle Geschichte, Adam. Und ich werde sie mit oder ohne Ihre Hilfe schreiben. Aber das ist noch nicht alles, oder?«
Der Blick, den Gabriel ihr zuwarf, war nicht freundlich. »Das ist Unsinn. Sie haben zwei zufällige Übereinstimmungen genommen und diese phantastische Geschichte daraus konstruiert. Was erhoffen Sie sich davon? Geld von diesem Grant? Eine beschissene Illustriertengeschichte? Wenn Sie überhaupt irgendeinen Ruf haben, werden Sie ihn durch diese Sache ruinieren.«
Bel lächelte. Seine schwachen Drohungen bewiesen ihr, dass sie ihn aufgeschreckt hatte. Es war an der Zeit, ihn vollends fertigzumachen. »Wie gesagt, das ist noch nicht alles. Sie mögen denken, dass Sie sicher sind, Adam, aber das stimmt nicht. Es gibt einen Zeugen, wissen Sie …« Sie ließ den angefangenen Satz unvollendet im Raum stehen.
Er drückte seine Zigarette aus und holte eine weitere heraus. »Ein Zeuge wovon?« Seine Stimme klang so gereizt, dass Bel sofort das Gefühl hatte, auf der richtigen Spur zu sein.
»Sie und Matthias wurden, einen Tag bevor die BurEst-Gruppe aus der Villa Totti verschwand, zusammen gesehen. Sie waren an dem bewussten Abend mit ihm zusammen in der Villa. Und am nächsten Tag waren alle weg. Sie auch.«
»Na und?« Er klang jetzt zornig. »Selbst wenn das stimmte, was wäre dabei? Ich treffe mich mit einem Freund meines Vaters. Meines Vaters, der vor kurzem gestorben ist. Am nächsten Tag verlässt er mit seiner Gruppe den Ort. Was ist dabei, verdammt noch mal?«
Bel ließ seine Worte wirken und sagte nichts. Sie nahm seine Zigaretten und bediente sich. »Auf dem Küchenboden ist ein Blutfleck, so groß, dass es zwei Liter Blut gewesen sein müssen. Okay, den Teil kennen Sie ja schon.« Sie entzündete das Feuerzeug, und die helle Flamme zeigte, wie viel dunkler es in der kurzen Zeit seit ihrer Ankunft schon geworden war. Als die Zigarette glimmte, zog sie den Rauch in den Mund und ließ ihn am Mundwinkel wieder austreten. »Was Sie wahrscheinlich nicht wissen, ist, dass die italienische Polizei eine Fahndung nach dem Mörder in die Wege geleitet hat.« Sie tippte mit der Zigarette müßig gegen den Rand des Aschenbechers. »Ich
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