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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Um den Turm herum hatten damals noch mehr Ruinen gestanden, aber der Gemeinderat hatte sie vor einigen Jahren aus Sicherheitsgründen abtragen lassen. Sie erinnerte sich, dass ihr Vater sich damals darüber beschwert hatte.
    Am Fuß der Klippen waren mehrere Öffnungen. Haigh ging auf ein stabiles Metallgitter zu, das einen schmalen, nur etwas über ein Meter fünfzig hohen Eingang schützte. Er schloss das Vorhängeschloss auf und bat sie zu warten. Dann ging er hinein und verschwand hinter einer Biegung des schmalen Ganges. Sehr schnell kam er mit drei Helmen zurück. Karen kam sich idiotisch vor, setzte aber einen auf und folgte ihm nach drinnen. Die ersten Meter waren sehr eng, und sie hörte Phil hinter sich fluchen, als er mit dem Ellbogen an die Wand stieß. Aber bald wurde der Gang zu einer weiten Kammer, deren Decke sich in der Dunkelheit verlor.
    Haigh griff in eine Nische an der Wand, und plötzlich warfen batteriebetriebene Lampen einen weichen Lichtschein in die Höhle. Ein halbes Dutzend wackeliger Holzstühle gruppierte sich um einen Resopaltisch herum. Auf einem tiefen Felsvorsprung standen etwa einen Meter über dem Boden ein Campingherd, ein halbes Dutzend Flaschen Wasser und Becher. Die Zutaten für Tee und Kaffee warteten in Plastikbehältern. Karen sah sich um und wusste sofort, dass die Stützen des Vereins zur Erhaltung der Höhlen sämtlich Männer sein mussten. »Sehr gemütlich«, bemerkte sie.
    »Es soll einen geheimen Gang von dieser Höhle zum Schloss oben gegeben haben«, sagte Haigh. »Die Legende erzählt, dass Macduff auf diese Weise entkam, nachdem er bei seiner Rückkehr seine Frau und Kinder erschlagen und Macbeth im Besitz der Macht vorfand.« Er wies auf die Stühle, »Setzen Sie sich doch, bitte«, und machte sich am Herd und mit dem Kessel zu schaffen. »Warum interessieren Sie sich eigentlich nach so langer Zeit für Mick?«
    »Seine Tochter hat ihn jetzt als vermisst gemeldet«, berichtete Phil.
    Haigh drehte sich verwundert halb um. »Aber er wird doch nicht vermisst, oder? Ich dachte, er wäre mit ein paar anderen Jungs nach Nottingham gegangen? Hab ihnen Glück gewünscht. Hier gab es doch damals nichts als Elend.«
    »Sie waren also nicht gegen die Streikbrecher?«, fragte Karen und bemühte sich, es nicht allzu scharf klingen zu lassen.
    Haighs Lachen hallte gespenstisch in der Höhle wider. »Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe nichts gegen Gewerkschaften. Arbeiter verdienen es, von ihren Arbeitgebern anständig behandelt zu werden. Aber die Bergarbeiter wurden von dem selbstsüchtigen Verrückten Arthur Scargill betrogen. Wirklich ein Fall von Löwen, die sich von einem Esel führen ließen. Ich habe gesehen, wie diese Gemeinde zerfallen ist. Ich habe schreckliches Leid gesehen. Und alles für nichts.« Er löffelte Kaffeepulver in die Becher und schüttelte den Kopf. »Die Männer und ihre Familien taten mir leid. Ich tat, was ich konnte, war Gebietsleiter für einen spezialisierten Lebensmittelimporteur und brachte so viele Warenproben ins Dorf mit, wie ich nur konnte. Aber das war nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich verstand sehr gut, warum Mick und seine Freunde das getan haben.«
    »Sie hielten es nicht für egoistisch, dass er seine Frau und sein Kind verließ? Während sie nicht einmal wussten, was mit ihm passiert war?«
    Haigh zuckte mit den Schultern und drehte ihnen den Rücken zu. »Um ehrlich zu sein, ich wusste nicht viel über seine persönlichen Umstände. Er sprach nicht über sein Privatleben.«
    »Worüber sprach er denn?«, wollte Karen wissen.
    Haigh brachte zwei Plastikbecher herüber, der eine enthielt Tütchen mit Zucker, die von Autobahnraststätten und Hotels stibitzt waren, der andere kleine Behälter mit Kaffeeweißer aus den gleichen Quellen. »Ich kann mich kaum noch erinnern, also ging es wahrscheinlich um die üblichen Themen. Fußball. Fernsehen. Projekte, um Geld für die Arbeit an den Höhlen zu sammeln. Theorien darüber, was die verschiedenen Höhlenbilder bedeuten.« Wieder sein Lachen. »Ich habe den Verdacht, dass wir den anderen draußen ein bisschen langweilig vorkommen, Inspector. Den meisten, die sich für ihr Hobby begeistern, geht es so.«
    Karen überlegte, ob sie lügen solle, hatte aber keine Lust dazu. »Ich versuche nur, einen Eindruck davon zu gewinnen, was für ein Mensch Mick Prentice war.«
    »Ich habe ihn immer für einen anständigen, unkomplizierten Burschen gehalten.« Haigh brachte die Becher mit

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