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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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spürte einen scharfen Stich an meinem linken Unterschenkel.
    »Aua!«, rief ich aus und schaute nach unten, wo Steve mir mit dem Nagel seines großen Zehs eine kleine, halbmondförmige Wunde beigebracht hatte.
    »Wie nett«, sagte ich.
    »Wenn du brav bist, passiert so was nicht.«
    »Ich werde mich bemühen.«
    »Bemühen allein genügt nicht. Die Taten zählen. Und wenn ich dir etwas sage, hast du das gefälligst zu akzeptieren.«
    »Okay. Tut mir leid. Ich sollte Sie also gestern Nacht sehen.«
    »Genau. Du siehst mich grundsätzlich nur dann, wenn du mich auch sehen sollst.«
    »Okay.«
    »Weißt du eigentlich, dass ich dich gestern den ganzen Nachmittag lang beobachtet habe?«, fragte er grinsend.
    »Nein. Wirklich?«
    »Na, klar doch. Und du hast überhaupt nichts davon bemerkt.«
    »Ist ja toll.«

    Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
    »Entschuldigung«, sagte ich.
    »Du hast am Pool in der Sonne gelegen«, führte er aus. »Du hast so gut ausgesehen, dass ich dich sofort ins Auge gefasst habe.« Er runzelte die Stirn. »Und zwar für Milo.«
    »Sie wollten mich für Milo? Dieses widerliche, fette Schwein?«
    »Milo hat alle zuerst gekriegt. So war unsere Abmachung. Danach hätte er dich mir überlassen.«
    »Das ist ja widerlich.«
    »Beruhige dich. Damit ist es ja nun vorbei – dank deiner gütigen Mithilfe.«
    »Und das ist gut so.«
    »Irgendwie tut er mir ja fast leid, der arme Milo. Er hatte sich so auf dich gefreut.«
    »Tatsächlich? War er denn auch hier?«
    »Nein, wo denkst du hin? Die Erkundungstouren habe ich immer allein unternommen.«
    »Und wo war Milo?«
    »Der war mit Marilyn im Zelt.«
    Wer war Marilyn? Die Tote, die er gegessen hat?
    Ob Steve das wohl auch getan hatte? Ich wollte nicht einmal dran denken. »Aber wie konnte Milo sich auf mich freuen«, fragte ich,
    »wo er mich doch gar nicht gesehen hat?«
    »Weil ich ihm von dir erzählt habe. Und natürlich habe ich ihm auch die Fotos gezeigt.«
    »Welche Fotos?«
    »Ich habe Polaroids von dir gemacht.«
    »Echt?«
    »Natürlich. Von unseren Superfrauen mache ich immer Schnappschüsse.« Er grinste und fügte noch hinzu: »Davor und danach.«
    »Nach was?«
    »Du weißt schon.«

    »Um Gottes willen.«
    »Wir haben eine ziemlich eindrucksvolle Sammlung. Obwohl das mit dem >wir< jetzt wohl nicht mehr so stimmt. Seit gestern bin ich alleine. Irgendwie fehlt mir der Dicke schon. Bestimmt werde ich mich ohne ihn ganz schön einsam fühlen.« Er nahm einen Schluck von seiner Margarita.
    »Dann haben Sie mich gestern Nachmittag also nicht nur beobachtet, sondern auch Bilder von mir gemacht?«
    »Richtig. Sind sogar ein paar echt gute dabei. Nahaufnahmen. Bei manchen war ich echt nah an dir dran.«
    »Wie nah?«
    »So nah wie jetzt.«
    Einen Meter? »Unmöglich«, sagte ich.
    »Glaub mir’s. Ich bin verdammt gut im Anschleichen.«
    »Aber so eine Kamera macht doch ein Geräusch.«
    »Ich habe ja nicht behauptet, dass du wach warst. Um ehrlich zu sein, dein Schnarchen war bedeutend lauter als die Kamera. Da drüben hast du geschlafen«, sagte er und deutete auf den Liegestuhl, in dem ich einen Großteil des gestrigen Nachmittags verbracht hatte. »Wenn du nicht geschlafen hast, hast du Bloody Marys getrunken, ein Buch von John D. MacDonald mit dem Titel Zimtbraune Haut gelesen und …«
    »Ist schon okay. Ich verstehe.«
    »Du hast mich unterbrochen.«
    »Das tut mir leid. Fahren Sie bitte fort.«
    »Ist schon okay. Ich war sowieso schon fast zu Ende mit dem Satz.«
    »Was haben Sie denn sonst noch getan, während ich schlief?«
    »Nichts.«
    »Sie haben mich nicht … berührt?«
    »Das hätte ich gerne. Du hast einfach zum Anbeißen ausgesehen, so wie jetzt auch. Aber dann wärest du vielleicht aufgewacht, und meine Aufgabe war es, zu erkunden, nicht zu genießen. Milo wartete schon auf meinen Bericht.«
    »Dann haben Sie also diese Polaroids gemacht, sind zurück zum Zelt gegangen und haben sie Milo gezeigt?«
    »Genau. Er war hingerissen, genau wie ich. Wir kriegen nur ganz selten eine so attraktive Frau wie dich zwischen die Finger.«
    »Und was geschah dann?«, fragte ich. »Nachdem Sie Milo die Fotos gezeigt haben?«
    »Viel. Aber das willst du bestimmt nicht hören. Du willst hören, wie ich gestern Nacht wieder zu dir gekommen bin.«
    »Erzählen Sie mir davon.«
    »Nun ja, wir hatten beschlossen, dass Milo am Zelt das Feuer hütet und ich dir kurz nach Mitternacht noch einmal einen Besuch abstatte.«
    »Und da habe ich

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