Nacht
dort Lärm machte.
Befreit von einer großen Last ging ich beschwingt die Straße entlang.
In einer Stunde würde ich wieder zu Hause sein.
Es waren nicht mehr als acht, neun Kilometer, und sieben Kilometer schaffte ich in der Stunde, wenn ich flott ging. Also eineinviertel Stunden. Höchstens anderthalb.
Aber dann kamen mir Zweifel.
Die Strecke hatte sich doch irgendwie weiter angefühlt als neun Kilometer. Ich hatte bestimmt eine halbe Stunde lang im Auto gesessen.
Bei
einer
Durchschnittsgeschwindigkeit
von
fünfzig
Stundenkilometern wären das …
… fünfundzwanzig Kilometer!
Aber ich bin Umwege gefahren, ich habe angehalten, ich habe minutenlang in der Garage gesessen und über die Stellplätze nachgedacht …
Vielleicht waren es doch nur achtzehn oder zwanzig Kilometer gewesen.
Oder noch weniger.
Aber woher sollte ich das wissen?
Hätte ich beim Losfahren zu Hause doch nur auf den Kilometerzähler geachtet.
Oder den Tageszähler zurückgestellt.
Oh mein Gott!
Ich blieb stehen.
Hatte Tonys Auto etwa einen Tageskilometerzähler?
Ich versuchte, mir das Armaturenbrett vorzustellen. Der Tachometer, die Uhr, der Kilometerzähler und … der Tageskilometerzähler. Stimmte das? Oder bildete ich ihn mir bloß ein?
Aber falls es einen gab und Tony ihn zurückgestellt hatte, bevor er zu mir gefahren war …
Ich musste zurückgehen.
Das übersehene Detail
Niemand kann ständig auf alle Details achten. Schon gar nicht in einer Situation wie der meinen.
Aber wehe, man übersieht eines dieser Details, dann kann man sofort einpacken. Sorry, das war’s dann wohl.
Hören Sie auf mich, und bringen Sie nie jemanden um. Man hört ja immer wieder, dass Bücher die besten Ratgeber sind, und hiermit gebe ich Ihnen den besten Rat, den Sie beim Lesen meines Buchs bekommen werden: Bringen Sie niemanden um, oder es wird Ihnen leidtun.
Klar, eigentlich müsste das jeder, der noch halbwegs bei Verstand ist, selbst wissen, aber manchmal schlittert man in solche Dinge hinein, ohne es zu wollen.
So wie ich.
Natürlich wollte ich Tony nicht den Schädel spalten, aber unter den gegebenen Umständen war es fast unvermeidlich gewesen. Es hätte jedem passieren können.
So, wie wir alle auf Gedeih und Verderb unseren Genen ausgeliefert sind, die bestimmen, wie wir aussehen und handeln und welche Krankheiten wir bekommen, sind wir oft auch auf Gedeih und Verderb den Umständen ausgeliefert.
Plötzlich macht es WUMM, und schon haben wir jemanden umgebracht.
Und wenn Sie sich jetzt hundertprozentig sicher sind, dass Ihnen so etwas niemals passieren wird, dann stellen Sie sich doch einmal vor, was Sie tun würden, wenn Sie mitten in der Nacht aus dem Haus gingen und plötzlich ein Fremder vor Ihnen auf der Türschwelle stünde.
Überlegen Sie sich, was Sie tun würden, wenn Sie überzeugt wären, dass dieser Fremde Sie vergewaltigen oder töten wollte.
Es hieße dann er oder Sie. Wenn Sie ihn nicht ausschalten, dann tötet er Sie.
Ich wette, dass auch Sie ihm eins mit dem Säbel überbraten würden.
Und wenn er schließlich tot wie ein Türnagel auf ihrem Rasen läge, was würden Sie dann tun?
Ja, ich weiß. Sie würden die Polizei rufen.
Und sich Ihr Leben ruinieren.
Selbst wenn Sie ein Musterknabe sein sollten, der sich noch nie etwas hat zuschulden kommen lassen, kann sich ihr Leben in einen einzigen Albtraum verwandeln, sobald Sie die Polizei auf den Plan rufen. Es ist nämlich längst nicht gesagt, dass ein Gericht auch wirklich auf Notwehr entscheidet und dann haben Sie auf einmal eine Anklage wegen Totschlags am Hals. Wenn es dumm läuft, kommen Sie sogar ins Gefängnis. Aber nehmen wir mal an, dass man keine Anklage gegen Sie erhebt oder Sie freispricht. Gratulation!
Sie müssen nicht ins Gefängnis. Aber was ist mit den Freunden und den Verwandten des Menschen, den Sie getötet haben?
Schon mal was von einer Zivilklage gehört?
Schon mal was von Rache gehört?
Ich schon.
Ich denke an so was, und ich wette, Sie würden auch dran denken, wenn Sie jemals jemanden getötet hätten.
Und sei es bloß aus Versehen.
Zumindest sollten Sie dran denken. Und wenn Sie sich das alles durch den Kopf haben gehen lassen, würden Sie dann wirklich noch die Polizei rufen? Vor allem eingedenk’ dessen, dass Sie völlig unbeschadet aus der Situation herauskommen können, wenn Sie die Intelligenz, etwas Glück und vor allem den Mut haben, um alles dafür Nötige zu tun?
Also ich wollte das.
Ich wollte
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