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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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selbst schon in solchen Häusern gelebt, bevor ich in das Zimmer über Serenas und Charlies Garage zog. Es waren nicht die schlechtesten Häuser. Okay, man hatte hin und wieder Angst vor Einbrechern, aber wenigstens fühlte man sich nicht wie in einem Käfig, in dem jede Bewegung gefilmt wird. Dieses Gefühl der Freiheit hat durchaus etwas für sich, selbst wenn man gar nichts Ungesetzliches vorhat.
    Nachdem ich die Tiefgarage nach Kameras durchsucht hatte, ging ich nicht wieder zurück ins Freie. Ich nahm einfach die Treppe von der Garage direkt ins Haus.
    Die Eingangshalle war nicht gut beleuchtet.
    Ich sah niemanden.
    Ich hörte auch keine Geräusche aus den Wohnungen, als ich den Hausflur entlang schlich und nach Apartment 12 suchte.
    Alle schlafen, dachte ich.
    Hoffentlich!
    Ich fühlte mich erbärmlich. Mein Mund war trocken, mein Herz pochte wie wild, ich war pitschnass geschwitzt und japste wie ein altersschwacher Köter. Außerdem zitterte ich am ganzen Körper.
    Der hässliche grüne Teppichboden dämpfte zwar meine Schritte, aber manchmal knarrte etwas.
    Was, wenn mich jemand hört?
    Was, wenn sich plötzlich eine Tür öffnet?
    Sie musste sich nicht einmal öffnen, es musste nur jemand hinter dem Spion stehen und mich unbemerkt beobachten.
    Mir war übel vor Angst.
    Wenn mich jemand sieht, ist alles zu Ende.
    Was soll ich tun?
    Beten?
    Endlich erreichte ich Nummer 12. So leise wie möglich zog ich Tonys Schlüsseletui aus meiner Jeanstasche.
    Von den sechs Schlüsseln waren zwei Autoschlüssel.
    Unter den restlichen vier war einer so klein, dass er höchstens für ein Vorhängeschloss passte. Blieben also noch drei Schlüssel zur Auswahl.

    Man kann unmöglich mit einem Schlüsselbund hantieren, ohne dabei Geräusche zu machen. Die Schlüssel klirrten so laut, dass es mir in der Stille wie Glockengeläut vorkam.
    Meine Hand zitterte so sehr, dass ich den ersten Schlüsseln nicht auf Anhieb ins Schloss kriegte, und als er endlich drin war, ließ er sich nur mit Gewalt tiefer ins Schloss stecken.
    Trotzdem versuchte ich, ihn im Schloss zu drehen, denn manchmal kommt es ja vor, dass ein Schlüssel ein wenig hakt. Es ging nicht.
    Falscher Schlüssel.
    Mit weiterem nervenaufreibendem Klirren fummelte ich nach Schlüssel Nummer zwei.
    Meine Hand zitterte jetzt noch schlimmer, sodass der Schlüssel an dem Schloss herumkratzte, bis ich ihn endlich mit zwei Händen drinnen hatte. Dieser Schlüssel glitt mühelos in das Schloss hinein.
    Ja!
    Aber er ließ sich nicht drehen.
    Scheiße!
    Egal, was ich auch tat, er fühlte sich an wie festgefroren.
    Ich ließ den Schlüssel stecken und wischte meine feuchte Hand am Stoff von Tonys Jeans ab. Dann versuchte ich es noch einmal und zwar so fest, dass ich fast den Schlüssel abgebrochen hätte.
    Ich ließ los.
    Warum ging das nicht? Der Schlüssel passte doch. Er war mühelos ins Schloss geglitten und steckte bis zum Anschlag drinnen.
    Warum drehte er sich nicht?
    Vielleicht ist es doch der falsche Schlüssel.
    Vielleicht passte er für eine andere Tür im Schließsystem des Hauses.
    Ich zog ihn heraus, und suchte nach dem dritten Schlüssel, wobei mir der ganze Bund aus der Hand glitt und mit einem lauten Klirren auf den Boden fiel.
    So ein Mist!

    Mit einem unterdrückten Fluch auf den Lippen bückte ich mich und hob ihn auf. Dann verharrte ich atemlos eine lange Minute und lauschte auf Geräusche im Hausflur.
    Nichts.
    Schließlich holte ich tief Luft und machte mich wieder an die Arbeit.
    Jetzt, nachdem mir der Schlüsselbund heruntergefallen war, wusste ich nicht mehr, welchen der drei ähnlich aussehenden Schlüssel ich noch nicht ausprobiert hatte und musste von vorne beginnen.
    Gerade als ich den ersten Schlüssel ins Schloss stecken wollte, ging die Tür auf.

    Apartment zwölf
    Mein Blick fiel auf eine junge Frau, die mich durch den schmalen Türspalt stirnrunzelnd ansah. Sie schien weniger wütend als besorgt oder erstaunt zu sein.
    Vermutlich sah ich ziemlich seltsam aus.
    Jedenfalls wäre ich am liebsten im Erdboden versunken.
    Wer ist das?
    Und was macht sie hier?
    Die Wohnung sollte doch leer sein.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte sie.
    »Tut mir leid, ich muss wohl an der falschen Wohnung …«
    »Das hier ist Apartment zwölf«, sagte sie mit einem raschen Blick auf die Nummer an der Tür, als müsse sie sich selbst erst vergewissern.
    Sie trug einen verknitterten Pyjama und sah aus, als wäre sie eben aufgestanden. An ihrer Wange hatten sich die

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