Nacht
Büchern.
»Wie haben Sie Tony kennengelernt?«, fragte sie.
»In einer Bar«, antwortete ich ohne nachzudenken. »Sie heißt Cactus Bar and Grill.«
»Tatsächlich?«, fragte sie, während sie zwei Bierflaschen auf die Arbeitsfläche neben der Spüle stellte. »Wundert mich, dass er da noch mal hingegangen ist. Wir haben dort einmal was gegessen, und Tony fand die Margaritas eine Zumutung.«
»Als ich ihn dort getroffen habe, hat er sich mit dem Zeug zugeschüttet.«
»Echt?« Sie schüttelte den Kopf, goss Bier in zwei Glaskrüge und gab mir einen.
»Er hat den ganzen Abend nur von Ihnen gesprochen«, sagte ich.
»Wie sehr er Sie liebt und so.«
»Im Ernst?« Ihr Lächeln kam mir ein wenig traurig vor.
»Ja. Es geht ihm überhaupt nicht gut.«
Wir gingen zurück ins Wohnzimmer, wo Judy sich in den Sessel setzte und ich auf dem Sofa Platz nahm.
Ich hatte noch immer nicht die leiseste Ahnung, was ich jetzt tun sollte.
Obwohl, so ganz stimmte das nicht.
Ich wartete ab.
Versuchte mir ein Bild von der Lage zu machen.
Sollte ich sie erschießen?
Beim Sitzen spürte ich Tonys Pistole, die in meiner hinteren Hosentasche steckte. Sie tat mir richtig weh, und ich hätte sie gerne herausgezogen.
Aber warum sollte ich Judy erschießen?
Ein Schuss zu so früher Stunde würde wohl sämtliche Nachbarn aufwecken.
Und dann wäre ich verloren.
»Glauben Sie, dass es mit Ihnen und Tony noch mal etwas wird?«, fragte ich, bevor ich den ersten Schluck von meinem Bier trank. Es war eiskalt und bitter. So, wie ich es gern mochte.
»Keine Chance«, erwiderte Judy. »Hat er Ihnen denn nicht erzählt, weshalb wir uns getrennt haben?«
Ich konnte ihr nicht sofort antworten, weil ich erst hinunterschlucken musste. Das Bier schmeckte wirklich fabelhaft.
Schließlich sagte ich: »Nein, vermutlich war es zu schmerzhaft für ihn.«
»Oder zu peinlich.«
»Wie das?«
»Na ja, es hat da ein paar Dinge gegeben, über die man nicht so gerne spricht. Besonders nicht mit einer Frau.«
»Verstehe. Sie müssen es mir nicht sagen …«
»Doch, das muss ich, wenn Sie jetzt seine Freundin sind. Er hat mich verprügelt.«
»Verprügelt? Wieso das?«
Judys angenehm gebräuntes Gesicht lief auf einmal rot an.
»Wenn er besoffen war. Meistens ging es um Sex. Er hat Dinge von mir verlangt, die ich nicht tun wollte.«
»Und dann hat er Sie geschlagen?«
Judy nickte. Ihr Gesicht war jetzt knallrot.
»Was wollte er denn von Ihnen?«
»Das tut nichts zur Sache.«
Mir kam eine Idee. Ich legte die Stirn in Falten und beugte mich hinüber zu ihr. »Wollen Sie den wirklichen Grund wissen, weshalb ich sein Hemd trage? Er hat mir meine Bluse vom Leib gerissen. Sie ist so zerfetzt, dass ich sie nicht mehr anziehen kann.«
Judy machte ein erschrockenes Gesicht. »Heute Abend?«
»Ja.«
»Großer Gott. War er betrunken?«
»Sternhagelvoll.«
»Normalerweise ist er echt nicht so. Wie lange kennen Sie ihn schon?«
»Seit ein paar Tagen.«
»Dann muss es ihm wirklich schlecht gehen. Bei uns hat es Monate gedauert, bis er so etwas mit mir angestellt hat. Er hat zwar ein paarmal zu viel getrunken, aber gewalttätig ist er am Anfang noch nicht gewesen. Im Gegenteil er war richtig lieb zu mir. Damals hätte ich nie gedacht, dass er zu solchen Sachen fähig ist. Bis er dann eines Nachts völlig ausgerastet ist.«
Ich nickte heftig.
Das kenne ich auch!
»Heute Nacht ist er zum ersten Mal richtig gemein gewesen«, sagte ich. »Zuerst habe ich es gar nicht glauben wollen, weil er vorher so nett und aufmerksam war. Ich habe ihn für einen sensiblen, aufrichtigen Menschen gehalten.«
»Ich auch«, sagte Judy.
»Aber heute Abend …« Ich schüttelte den Kopf. »Da hat er mich fast zu Tode erschreckt.«
»Was hat er denn getan?«
Ich nahm einen Schluck von meinem Bier, stellte den Krug auf dem Couchtisch ab und sagte: »Na ja, er ist zu mir zum Abendessen gekommen, und dann sind wir ins Kino gegangen und haben uns Independence Day angeschaut. Bis dahin war alles in Ordnung, und nach dem Film sind wir wieder zu mir gegangen und haben was getrunken. Eigentlich hatten wir noch was anderes vor, aber dann ist meine Mitbewohnerin gekommen. Sie taucht immer zum ungünstigsten Zeitpunkt auf.«
Judy lächelte schwach. »Das haben Mitbewohnerinnen so an sich.«
»Haben Sie denn auch eine?«
»Nein, seit meiner Collegezeit wohne ich alleine.«
»Seien Sie froh. Die Wohnung mit jemandem zu teilen, kann manchmal tierisch nerven.«
»Sie sagen
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