Nacht
weit.«
»Besonders wenn man nackt ist«, fügte ich ein wenig boshaft hinzu.
Das brachte sie zum Lachen. »Sie sind ja furchtbar«, sagte sie.
»Stimmt.«
Sie tippte eine Nummer ein und wartete.
»Er hat eine neue Nummer«, sagte sie dann und hörte aufmerksam zu.
Die geben ihr seine neue Nummer!
Während ich mir noch ausmalte, welche Konsequenzen das haben konnte, wählte sie die neue Nummer, horchte und schaute mich dabei an.
»Sein Anrufbeantworter«, sagte sie.
»Legen Sie lieber auf.«
»Vielleicht wartet er ab und will wissen, wer dran ist.«
Sollte ich sie aufhalten?
Besser nicht. Vielleicht bedeutete das ja was Gutes für mich.
Oder die totale Katastrophe.
»Hi, Tony«, sagte sie. »Ich bin’s, Judy! Bist du da?«
Lass es dabei. Sag nicht mehr.
Judy wartete ein paar Sekunden, dann sagte sie: »Sieht so aus, als wärest du wirklich nicht zu Hause. Okay. Ich wollte nur mal wissen, wie es dir geht. Ruf mich zurück, wenn du magst. Ich bin immer noch unter meiner alten Nummer zu erreichen. Bis dann!«
Sie legte auf.
»Wahrscheinlich haben wir ihn gefunden, bevor er das abhört«, sagte sie.
»Kann schon sein.«
»Seltsam, das mit der Telefonnummer. Wissen Sie, warum er sie geändert hat?«
Weil mir keine passende Lüge einfiel, sagte ich nur: »Keine Ahnung.«
»Vielleicht hat es ja etwas mit diesem Unfall zu tun.«
»Kann sein.«
»Auf jeden Fall ist er noch nicht zu Hause. Wenn er meine Stimme gehört hätte, wäre er bestimmt rangegangen.«
»Darauf können Sie Gift nehmen. Er hat sich nichts sehnlicher gewünscht als einen Anruf von Ihnen. Aber man kann nie wissen, vielleicht stand er ja gerade unter der Dusche. Vielleicht sollten wir ein paar Minuten warten und es dann noch einmal versuchen.«
Judy schüttelte den Kopf. »Nein. Ich möchte nicht mehr länger warten. Ich muss jetzt in den Wald fahren und ihn suchen.«
»Wollen Sie, dass ich mitkomme?«
»Das müssen Sie nicht«, sagte sie und wandte sich ab.
»Aber ich will.« Ich sah ihr zu, wie sie ins Nebenzimmer ging und das Licht anknipste. Am anderen Ende des Zimmers befand sich ein ungemachtes Bett.
Judy verschwand aus meinem Blickfeld.
Ich hob die Stimme und sagte: »Ich kann Sie nicht alleine in den Wald lassen. Dort draußen könnte Ihnen alles Mögliche zustoßen.«
»Mir passiert schon nichts«, rief sie zurück.
»Kann schon sein. Aber wenn doch? Schließlich bin ich diejenige, die Tony dort liegen gelassen hat. Ich fühle mich verantwortlich für ihn. Und für Sie jetzt auch.«
»Aber Sie kennen mich doch kaum.«
»Trotzdem fühle ich mich verantwortlich. Sie sind ein netter Mensch.«
Aus dem Schlafzimmer drang ein leises Lachen. Dann sagte Judy:
»Keine Ahnung, ob ich das bin. Aber danke für das Kompliment.«
»Sie sind ein netter Mensch. Und ein vertrauensseliger dazu, sonst hätten Sie nicht eine wildfremde Frau mitten in der Nacht in Ihre Wohnung gelassen und ihr sogar ein Bier angeboten.«
»Na ja, schließlich haben wir ja einen gemeinsamen Freund. Oder sollte ich besser sagen: einen gemeinsamen Feind?«
»Ich möchte Ihnen wirklich helfen, ihn zu finden. Lassen Sie mich mitfahren.«
»Da sage ich nicht nein. Keine Ahnung, ob ich ein netter Mensch bin, aber eines bin ich sicher: ein ziemlicher Feigling. Es wäre toll, wenn Sie mitkämen.«
»Dann machen wir das so. Wir fahren zusammen, Sie und ich.«
Sie kam zurück aus dem Schlafzimmer und trug jetzt statt des Pyjamas weiße Socken und blaue Turnschuhe, einen hellblauen Rock und eine kurzärmelige weiße Bluse, die aussah wie frisch gewaschen und noch offen über dem Rock hing.
»Sie tragen einen Rock?«, fragte ich.
»Warum nicht? Es ist eine warme Nacht.«
»Tony wird das gefallen.«
»Da könnten Sie recht haben.«
»Und keinen BH.«
Sie lachte. »Wie gesagt, die Nacht ist warm. Und außerdem haben Sie selbst auch keinen an.«
»Ich habe eine Entschuldigung. Tony hat mir meinen zerrissen.«
»Und ich brauche keine Entschuldigung. Schließlich sind Sie nicht meine Mutter.« Grinsend blickte sie nach unten und knöpfte ihre Bluse zu. »Aber glauben Sie jetzt nicht, dass ich das wegen Tony tue.
Ich möchte mich nur wohlfühlen.«
»Ist schon okay. Und außerdem sehen Sie einfach super aus.«
»Danke. Ich fühle mich auch so. Irgendwie macht mir diese Geschichte fast Spaß. Kommt mir vor, als würden wir zu einem Abenteuer aufbrechen.«
Jetzt grinste auch ich. »Stimmt«, sagte ich. »Sehe ich auch so.«
Judy eilte in die Küche
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