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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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fahren und sie losschneiden, bevor sie sich die Hand abbeißen muss?
    Vielleicht hat sie es inzwischen schon getan!
    Blödsinn. Selbst wenn sie es gewollt hätte, hingen ihre Hände dazu viel zu weit oben.
    Auf einmal kam mir der Gedanke, dass meine Hände auch zu weit von mir entfernt waren, um mir eine davon abzubeißen.
    Vielleicht waren wir beide in einer ausweglosen Situation?
    Darüber sollte ich mir keine Sorgen machen. Zum einen konnte ich mich vermutlich selbst befreien, wenn ich wollte, und zum anderen würde Murphy bald zurück sein.
    Wie bald?
    Weil ich eingeschlafen war, wusste ich nicht, wie lange er schon weg war. Mir kam es nicht sehr lange vor, aber ich konnte mich auch täuschen. Ob es wohl zehn Minuten waren? Oder schon zwanzig?
    Eigentlich müsste er jeden Augenblick wiederkommen, sagte ich mir.
    Woher willst du das wissen?
    Wo ist überhaupt seine Bank?
    Ich wusste es nicht, aber wenn sie irgendwo in der Stadt war, konnte sie nicht länger als zehn Autominuten entfernt liegen. Zehn Minuten Fahrt hin und zehn Minuten Fahrt zurück. Macht zusammen zwanzig. Und für den Fall, dass er am Schalter warten musste, gab ich ihm noch einmal zehn Minuten.
    Damit wären wir bei einer halben Stunde.
    Vielleicht ist ja eine lange Schlange vordem Schalter.
    Oder er bekommt Schwierigkeiten, weil er eine so große Summe in bar abheben will.
    Oder er erledigt auf dem Weg noch rasch etwas anderes.
    Sein Auto könnte eine Panne haben.

    Oder er einen Unfall
    Oder die Bank wird überfallen, während er drin ist.
    Und der Bankräuber nimmt Murphy als Geisel.
    Oder erschießt ihn.
    Oder Murphy hat einen Herzinfarkt.
    Oder einen Schlaganfall.
    ER IST NICHT TOT, VERDAMMT NOCH MAL! KANN DOCH GAR
    NICHT SEIN! ER LIEBT MICH!
    Beruhige dich, sagte ich mir. Murphy ist nicht tot. Und er liebt dich nicht, das hat dir doch bloß Judy in deinem Traum erzählt. Und Träume haben mit der Realität nicht das Geringste zu tun.
    Wie gesagt, Träume sind Unfug. Sie taugen zu nichts und sind bloß dazu da, um einen zu quälen.
    Murphy liebte mich nicht.
    Aber er würde trotzdem zurückkommen.
    Die Bank würde nicht überfallen werden, während er drin war, und einen Herzinfarkt würde er auch nicht kriegen. Das war alles Blödsinn. Pure Angstfantasien.
    Gleich kommt er zur Tür herein.
    Mit Sicherheit.
    Aber möglicherweise mit der Polizei im Schlepptau.
    Vielleicht braucht er ja deshalb so lange, weil er auf dem Polizeirevier alles zu Protokoll geben muss.
    Nein. Das würde er nicht wagen.
    Ganz gleich, was er der Polizei auch erzählte, sobald die mich an sein Bett gefesselt fand, würde er jede Menge Probleme kriegen.
    Eine nackte Frau mit deutlichen Spuren von Gewalt an ihrem Körper brachte jeden Mann in große Schwierigkeiten, wenn sie seinen Samen in der Scheide hatte.
    Ehe er sich versah, würde die Polizei glauben, dass er Tony getötet und Judy und mich missbraucht hatte.
    Ich verbrachte einige Zeit damit, mir eine Geschichte auszudenken, die ich bei einem Verhör erzählen könnte. Wir hätten ja zu viert hinaus in den Wald fahren können – Tony mit mir und Murphy mit Judy. Und dann könnte Murphy plötzlich beschlossen haben, dass er uns beide haben konnte, wenn er Tony umbrachte.
    Als Tony tot war, hatte er seine Leiche zerstückelt, in den Kofferraum gepackt und …
    Aber was war mit Milo, dem Menschenfresser?
    Nun ja, Judy hätte vor Murphy fliehen und Milo in die Arme laufen können, der wiederum im Wald auf neue Opfer gelauert hatte. Er könnte Judy gepackt und zu seinem Zelt geschleppt haben, wo er …
    Viel zu weit hergeholt!
    Die Geschichte muss einfach und plausibel sein.
    Ich könnte einfach sagen, dass Judy in den Wald gelaufen sei und ich seitdem nichts mehr von ihr gehört hätte.
    Aber was war mit Tonys Wagen? Wie sollte der mit seiner Leiche im Kofferraum in Judys Tiefgarage gekommen sein?
    Da musste ich mir echt etwas einfallen lassen.
    Und vermutlich war das nicht das einzige Problem.
    Da gab es zum Beispiel das Tonband aus Tonys Anrufbeantworter.
    Wenn die Polizei kam und mich befreite, dann würde sie es garantiert unter dem Kissen finden.
    Na und? Murphy kann es dort versteckt haben.
    Ganz einfach.
    Aber trotzdem hatte ich immer noch keine plausible Geschichte, um alles zu erklären.
    Dann sag doch einfach, dass du das Gedächtnis verloren hast.
    Gute Idee.
    Ich würde der Polizei sagen, dass ich von überhaupt nichts mehr etwas wüsste. Ich könnte mich nur noch daran erinnern, wie ich nach einem

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