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Nachtauge

Nachtauge

Titel: Nachtauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Fronteinsätzen lösen sie einen ab.«
    Sie nahm einen Schluck vom Bier.
    Der Erste beugte sich vor und raunte verschwörerisch: »Die Deutschen haben ein neues Flugzeug, die Ju hundert-achtundachtzig, eine Junkers mit leistungsstarkem Doppelsternmotor von BMW . Die steigt deutlich schneller. Und manche von denen haben acht MG s an Bord! Aber gegen unsere Mosquito kommen selbst die nicht an. Obwohl sie nur aus Sperrholz gebaut ist, die Mossie ist schneller als alle anderen. Motoren von Rolls-Royce, und ein viel geringeres Fluggewicht. Sie ist wendiger und schneller, weißt du? Vor der haben alle Angst. Ich würde gern wieder so eine fliegen. Hier in Scampton haben wir nur die Lancs, die dicken Brummer, leider.«
    Ihr rechter Nachbar fasste schon wieder nach ihrer Hand, als habe sie ihm nicht gerade signalisiert, dass sie das nicht wollte. »Übel wird es erst«, sagte er, »wenn die Deutschen mit Düsenjägern kommen. Ich hör da so Gerüchte. Die arbeiten an einer Messerschmitt mit Strahltriebwerken. Die könnte uns wehtun. Mit tausend Sachen fliegt die, da haben wir nichts entgegenzusetzen.«
    Wie beiläufig zog sie erneut die Hand weg. »Und wenn ihr getroffen seid, ich meine, wenn die den Tank treffen – läuft da nicht das Benzin aus, und ihr schafft es nicht mehr nach Hause? Was, wenn ihr in Deutschland landen müsst?«
    »Löcher im Benzintank schließen sich automatisch durch eine Gummihaut. Trotzdem hast du schon recht, es ist gefährlich, was wir da machen.«
    Ganz offensichtlich langweilte sie sich mit diesen Aufschneidern. Ihr Blick wanderte durch das Pub und blieb an ihm hängen. Sie lächelte kurz.
    »O nein, Lady«, protestierten die Jungspunde, »das ist einer vom Geschwader X, der braucht dich nicht zu interessieren. Was machen die schon? Die fliegen bloß in England rum oder trainieren im Link-Trainer. Feindflüge sind ein Fremdwort für die.«
    Sie lächelte ihn erneut an, als wolle sie ihm empfehlen, die Jungs nicht ernst zu nehmen. »Was ist ein Link-Trainer?«, fragte sie.
    »Eine Flugzeugattrappe, nur die Instrumente im Cockpit sind echt. Einer sitzt drin und fliegt das Ding, obwohl es am Boden steht, und der Trainer steuert es von außen.«
    »Und was übt man damit?«
    »Fliegen bei starkem Wind und bei schlechtem Wetter. Das ist doch alles Unsinn. So eine Attrappe ist feige, man kann nicht damit abstürzen. Die sind alle feige beim Geschwader X.«
    Kenneth tat so, als hätte er nichts von diesen abfälligen Bemerkungen mitbekommen, und wandte sich ab. Als er wieder hinsah, traf sein Blick den der Schönen, und erneut umspielte, nach einem Seitenblick zu den jungen Piloten, ein spöttisches Lächeln ihre kirschroten Lippen. Er lächelte ebenfalls und zuckte die Achseln. So sind sie eben, die jungen Aufschneider. Selbst schuld, wenn du dich zu denen an den Tisch setzt.
    Sie stand auf.
    »Was ist, Lady?«, fragte einer der Piloten.
    Sie kam zur Theke. Hinter ihr protestierten sie: »Du machst einen Fehler, der kann dir nichts bieten!«
    Galant gab sie ihm die Hand. »May.«
    »Kenneth.« Aus der Nähe betrachtet, war sie noch geheim nisvoller. Ihre blauen Augen hatten Tiefe. Die Wimpern glänz ten herrlich, sie hatte sie wohl mit Öl gebürstet. »Wollen Sie sich wirklich auf meine Seite schlagen? Leute aus meinem Geschwader sind hier nicht sonderlich beliebt.«
    »Ich habe mich noch nie darum geschert, wen die Leute ge rade lieben. Ich liebe, wen ich will.« Sie versetzte ihm einen scherzhaften Stoß gegen die Rippen.
    Trotzdem hatte er nicht das Gefühl, dass das gerade ein Scherz gewesen war. Sie mochte ihn. Wärme breitete sich in seiner Brust aus bei diesem Gedanken. »Wollen Sie auch ein Bier? Ich lade Sie ein.«
    »Gibt es hier Gin mit Limettensaft?«
    »Sicher.« Er bestellte. Als der Wirt das Glas brachte, hob sie es in die Höhe und sagte: »Auf einen schönen Abend.«
    Er hielt seines dagegen, trank, stellte es hin, wischte sich die schwitzende linke Hand am Hosenbein ab. Er war nicht besonders gut darin zu flirten. Schöne Frauen machten ihn nervös. Und May wirkte so selbstbewusst, so stark. Sie war eine äußerst selbstständige Frau, das war ihm klar.
    »Könnten Sie mich beraten?« Sie zog einen Notizblock und einen Bleistift aus der Handtasche. »Ich bin gerade erst hergezogen und habe die Spedition gestern alles hinstellen lassen. Jetzt bin ich mir unsicher, ob ich für das Bett den richtigen Platz ausgesucht habe.« Sie zeichnete ein Zimmer auf. »Hier ist das Fenster. Und

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