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Nachtauge

Nachtauge

Titel: Nachtauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Wie die Pappnasen an dem Tisch, an dem du vorhin gesessen hast.«
    »Das heißt, deine Bomben sind irgendwo nutzlos auf dem Acker hochgegangen, und das verärgert dich.«
    »Bei uns geht gar nichts hoch«, sagte er, »wir machen momentan nur Übungsflüge und werfen Attrappen.«
    »Dann ist es doch nicht schlimm! Die Attrappe sammelt man wieder ein und zielt beim nächsten Mal besser.«
    »So schön, wie du deine Hand da auf die Drosselgrube legst. Ich mag schlanke Hände bei Frauen.« Warum war er plötzlich so gesprächig?
    »Und die Attrappe? Das war doch nicht schlimm?«
    »Du hast keine Ahnung davon, was bei Guy Gibson schlimm ist. Unser Wing Commander ist der beste Pilot Großbritanniens, und er erwartet, dass sein Geschwader die Ziele trifft, und zwar jedes Mal.«
    »Das schafft wohl niemand.«
    »Wir schon. Gibson hat sich die Besten zusammengeholt.«
    »Deshalb heißt dein geheimnisvolles Geschwader ›X‹!«
    Er winkte ab. »So heißen wir längst nicht mehr. Wir haben vor ein paar Wochen eine reguläre Nummer bekommen, wir sind jetzt das Geschwader sechshundertsiebzehn.«
    »Und warum übt ihr noch, wenn ihr so gute Piloten seid? Weißt du denn, gegen welches Ziel es gehen soll? Dieses besondere Training muss doch eine Bedeutung haben.«
    »Das weiß keiner von uns, nur Guy Gibson ist informiert. Irgendeinen großen Schlag sollen wir gegen die Deutschen führen, so viel steht fest. Manche denken, wir greifen die Tirpitz an, das größte Schlachtschiff Europas. Die hat Kanonen ohne Ende, und Flak natürlich. Ein gefährliches Monstrum, das die Deutschen da haben. Aber ich glaub das nicht, ich denke …« Er stutzte und musterte sie. »Die haben uns gewarnt vor hübschen Mädels, die uns in der Kneipe ausfragen.«
    »Was … Was willst du damit sagen?«
    Er kniff die Augen zusammen. »Ich hab dich hier noch nie gesehen. Du könntest eine Spionin sein.«
    »Ich? Wie kannst du so etwas behaupten? Ich , die ihre Eltern beim Bombenangriff verloren und einen Bruder bei der Armee hat und sogar freiwillig beim Luftschutz arbeitet, damit wir diesen Krieg schnell gewinnen!«
    Ihre Wut verunsicherte ihn. »Lässt sich das alles auch überprüfen?«, fragte er. Wenn nur nicht diese Müdigkeit wäre. Er konnte sich kaum auf dem Stuhl halten, die Schwere sank tiefer und tiefer in die Glieder.
    »Natürlich! Ruf ruhig die Polizei, die sollen meine Papiere anschauen. Und überall nachfragen. Aber glaub bloß nicht, dass ich danach noch einmal ein Wort mit dir wechsele!« Sie wischte sich Tränen aus den Augenwinkeln und funkelte ihn böse an. »Ich hätte gar nicht erst hierherkommen sollen. Meine Wirtin hat mich gewarnt vor euch.«
    »Vor uns?«
    »Vor den Leuten der Royal Air Force. Eine junge Frau wie ich hat hier nichts verloren, sagte sie.«
    »Friede?« Er hielt ihr die Hand hin.
    Sie zögerte einen Augenblick, bevor sie ihm die Hand gab. »Friede. Du sagst nie wieder, dass ich keine Patriotin bin, versprochen?«
    »Ich versprech’s.«
    Sie hielt einen Moment zu lang seine Hand, es verriet ihm, dass er ihr gefiel. Er lächelte.

25
    Als Eric das Büro betrat, riss Sprigings sich die Kopfhörer herunter und sprang vom Stuhl auf. »Sind Sie lebensmüde? Ich fasse es nicht, dass Sie hier auftauchen. Sie gehören ins Krankenhaus!«
    »Sprigings, wir verlieren gerade Operation Chastise an die Deutschen.«
    »Nie gehört von dieser Operation.«
    Er legte ihm die Unterlagen auf den Schreibtisch. »Gibson. Geschwader X. Airport Lincoln.«
    »Die Nachricht! Nicht Kreuz, sondern X, und nicht Abraham Lincoln, sondern Airport Lincoln. Sie sind genial!« Sprigings setzte sich und überflog die Notizen. Er sagte leise: »Du meine Güte. Das könnte den Krieg beenden.«
    »Wenn sie es nicht vorher erfahren. Nachtauge ist dort. Womöglich hat sie die Pläne schon durchschaut.«
    »Wir müssen damit zum Boss. Sofort.« Sprigings stand auf.
    Die Schmerzen zogen von der Schulter den Hals hoch. In der Wunde saßen Stachel, so fühlte es sich an, und bohrten sich bei jeder Bewegung tiefer ins Fleisch. Die Treppe am Ende des Flurs war eine zu große Herausforderung. »Helfen Sie mir bitte«, ächzte er und fasste nach Sprigings’ Schulter.
    »Kommen Sie.« Der füllige Mittvierziger stützte ihn. »Wenn wir Meldung gemacht haben, lasse ich Sie zurück ins Krankenhaus fahren.«
    Liddell, der Leiter der Division B, Spionageabwehr, hatte das Büro des Gefängnisleiters bezogen. Die Vorzimmerdame starrte auf Erics Hemd. Blutete die Wunde

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