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Nachtauge

Nachtauge

Titel: Nachtauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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schweren Bombern, und jede Woche schießen mir die Deutschen Maschinen davon ab. Ich setze nicht meine besten Piloten und zwanzig Lancaster-Flugzeuge für eine Sache ein, die möglicherweise von den Deutschen erwartet wird und einen Totalverlust für uns bedeutet. Ich fahre sofort nach Scampton. Rufen Sie dort in zwei Stunden an und melden Sie, dass Sie die Deutsche geschnappt haben!«
    »Ja, Sir.«
    »Und noch etwas«, schnarrte die Stimme aus dem Hörer. »Sagen Sie Ihren Leuten nicht, worum es geht. Niemand darf das Ziel dieser Operation erfahren. Sie sollen die Frau ausschalten, alles Weitere geht niemanden etwas an.«
    »Verstanden.«
    »Auf Wiederhören, Mister Liddell.«
    »Auf Wiederhören.« Liddell legte auf. Er knirschte mit den Zähnen, die Kiefermuskeln traten vor. »Wir müssen ein Team nach Scampton schicken«, sagte er. »Und zwar eines, das die Deutsche endlich zur Strecke bringt.« Abrupt sah er zu Eric hoch. »Nehmen Sie Schmerzmittel?«
    »Ich habe mir noch keine besorgt.«
    »Dann tun Sie es. Sie fahren sofort nach Scampton.«
    Die Zufahrt zum Flughafen war mit Sandsäcken und Stacheldraht geschützt, dahinter stand ein Soldat mit Maschinengewehr. Eine Sten Mark I, das Magazin fasste zweiunddreißig Schuss, es taugte nichts, die Sten Guns hatten häufig Ladehemmungen. Aber da war ein zweiter Soldat auf der anderen Seite des Tors, eine Lee Enfield Mark III lehnte bei ihm am Wachhäuschen. Er musterte sie bereits, ein erfahrener Bursche. Ihn würde sie zuerst ausschalten müssen. Wenn sie sich das Gewehr geschnappt und ihm mit dem Bajonett die Kehle aufgeschlitzt hatte, konnte sie sich in Ruhe um den anderen kümmern, im Notfall mit einem Schuss, aber das würde wei tere Soldaten alarmieren. Das Bajonett war die bessere Wahl. Sofern er nicht bereits mit der Sten Gun auf sie anlegte. In diesem Fall müsste sie hinter dem Wachhaus in Deckung gehen.
    Sie trat ans Tor und hob den Teller mit dem Kuchen an. »Der ist für Kenneth. Er hat heute Geburtstag.«
    »Welcher Kenneth?«
    »Vom Geschwader sechshundertsiebzehn.«
    »Ken Fraser?« Der Soldat musterte sie, sein Blick wanderte unverhohlen über ihren Körper. »Der Mann ist ein Glückpilz.«
    »Jeder so, wie er es verdient.« Sie gab ihm ein Böses-Mädchen-Lächeln.
    »Nächstes Mal bin ich brav vor Weihnachten. Wie heißt du?«
    »May.« Sie wartete nicht, bis er sie nach ihren Papieren fragte. Selbstbewusst stolzierte sie an ihm vorüber. Wie sie es erhofft hatte, glotzte und grinste er.
    Über die Flughafengebäude waren Tarnnetze gespannt. Sie ordnete jedes Gebäude einem Zweck zu: Aus der Werkstatt klang Hämmern und Metallschleifen, die niedrigen Holzhäuser waren die Unterkünfte des Bodenpersonals, der Monteure, Maschinenschlosser, Signalgeber, Radarspezialisten. Dort waren Waschräume. Vor einer Lagerhalle standen Anlassermotoren und Wagen mit Seilwinden zum Transport der Bomben. Das Verwaltungsgebäude befand sich offenbar neben dem Haus des Flugplatzkommandanten. Auch Häuser für die Flugzeugmannschaften erkannte sie.
    Sie hielt auf das Verwaltungsgebäude zu. Dabei blieb ihr Blick an einigen Flugzeugen in einem Hangar hängen. Die Lan casters waren ausgeweidet, der Bombenschacht stand offen. Sie zählte acht Maschinen. Techniker schraubten an ihnen herum. Vorn am Bauch der Flugzeuge hingen parallele Scheiben herunter wie Zimbeln. So etwas hatte sie noch nie gesehen.
    Sie änderte ihren Kurs. Als sie den Flugzeugen näher kam, drehte sich ein Techniker zu ihr um. »Kann ich Ihnen helfen?« Er sah sie streng an.
    Ein weiterer Techniker schleppte einen Kasten mit herunterhängenden Kabeln ins Flugzeug. Das VHF TR 1143, ein Spezialfunkgerät, das sonst nur Nachtjäger besaßen. Hier stimmte etwas nicht. Warum bekamen die Bomber solch teure Technik eingebaut?
    »Ich suche Ken Fraser«, sagte sie. Bei jedem der umgebauten Bomber fehlte der mittlere Turm, sie waren entfernt und durch schlichte Platten ersetzt worden. Welche Bombercrew würde freiwillig auf ihr mittleres Geschütz verzichten? Die Verteidigung gegen feindliche Jäger wurde dadurch bedeutend erschwert. Offenbar war man gezwungen, Gewicht zu sparen. Wollten sie den Bombern eine besondere, schwere Fracht mitgeben, oder sollten sie eine so weite Strecke zurücklegen, dass der Tank erweitert werden musste?
    »Hier ist er nicht.« Der Techniker baute sich mit feindseligem Gesichtsausdruck vor ihr auf. Er wollte offensichtlich das Flugzeug vor ihren neugierigen Blicken

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