Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin
Grant hinkte leicht, war aber ansonsten bester Laune. »So was«, murmelte er. »Haut die beiden Spikes einfach aus den Socken …«
Ich überlegte fieberhaft. War das hier die Chance für eine Zuflucht? Ich entschied mich spontan, zuzugreifen.
»Ich könnte einen Job brauchen«, sagte ich, als wir schließlich in seiner Limousine saßen. »Einen, wo man mir keine Fragen stellt.«
Dann nahm ich meine Sonnenbrille ab.
Grant nahm die Hand vom Zündschlüssel und sah mir in die Augen. Er starrte mich an.
»Mann, was hast du für Augen, Mädchen?« sagte er mit leiser Stimme. Seine Hand zitterte.
Es war ein magischer, fast intimer Moment. Seit meiner Geburt als Vampir war ich keinem Menschen so nahe gewesen. Zumindest keinem, der am Leben geblieben war. Spürte Grant, wer oder was ich in Wirklichkeit war?
Ich lächelte ihn an. »Gefallen sie dir nicht? Das sind ziemlich teure Kontaktlinsen.« Auch ich duzte ihn jetzt.
Sekunden vergingen, bis er sich wieder in der Gewalt hatte. »Entschuldigung. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist«, sagte er le ise und startete den Wagen. »Muss wohl vorhin doch ein bisschen was abgekriegt haben.«
Dann fuhr er los. Damals wu sste ich noch nicht, dass meine Augen, immer wenn ich vor kurzem meinen Hunger gestillt hatte, die Menschen besonders verängstigten. Sie schienen dann von innen zu leuchten. Es war ein Leuchten, das direkt aus der Hölle kam.
7 - GRANT S CLUB
Grant s Club« entpuppte sich als langgestrecktes, zweistöckiges Gebäude und wirkte auf den ersten Blick wie eine edle Diskothek. Der Club lag direkt an einer großen Straße in der teuren Ecke des Bahnhofsviertels. Bunte Laserstrahlen schossen über dem holzgetäfelten Eingang in den Himmel. Von drinnen ertönte cooler Acid-Jazz.
»Komm«, sagte Grant, als ich zögernd vor der Tür stand. »Oder sieht das hier vielleicht wie ein billiger Puff aus? Hier ist alles vom Feinsten: das Essen, die Drinks und die Show. Wir sind so etwas wie ein Szene-Laden. Rotlicht und edel – das ist zur Zeit die angesagteste Mischung.« Er hatte seine alte Selbstsicherheit wiedergewonnen. Vielleicht führte er seine seltsame Angstattacke im Wagen ja tatsächlich auf den Überfall zurück.
Als ich den Club betrat, setzte ich meine Sonnenbrille wieder auf. Ich hatte wenig Lust auf noch mehr erstaunte Blicke in meine sonderbaren Augen.
Der Raum wurde von massiven Steinsäulen unterteilt und war geschmackvoll eingerichtet. Rund fünfzig Gäste saßen an unaufdringlichen Designermöbeln. Es gab aber auch mehrere gemütliche Nischen, die, so Grant, für besondere Besucher reserviert waren. Am Boden glänzten Marmorfliesen; moderne Kunst, dezent beleuchtet, zierte die Wände. An der Frontseite war eine Bühne zu sehen, auf der jedoch gerade nichts los war. Kellner huschten hin und her, tischten Speisen und Getränke auf und machten dabei einen äußerst beflissenen Eindruck. Nein, Grant hatte recht – wie ein Puff sah das hier wirklich nicht aus. Der hintere Teil des Raums wurde von einer ziemlich opulenten Bar ausgefüllt. Von dort löste sich plötzlich eine hünenhafte Gestalt und kam mit schnellen, federnden Schritten auf uns zu.
»Verdammte Scheiße, Boss. Wie sehen Sie denn aus? Was ist passiert?«
»Ludmilla«, sagte Grant und deutete mit einer übertriebenen Geste auf den besorgten Mann. »Das ist Carl, mein Geschäftsführer. Carl, das ist Ludmilla, und man kann mit Fug und Recht sagen, da ss sie mir vor einer halben Stunde das Leben gerettet hat.«
Grant erzählte die ganze Geschichte. Carl hörte schweigend zu. Ab und zu blickte er ohne erkennbare Regung in meine Richtung. Er war groß, hatte breite Schultern und trug einen kleinen Pferdeschwanz. Ich spürte sofort, da ss er ein dummer, aber gefährlicher Mann war. Bei Grant hatte ich auf Anhieb ein gutes Gefühl gehabt, bei Carl war es genau umgekehrt.
»Ludmilla wird bei uns arbeiten«, beendete Grant schließlich seine Geschichte. »Sie kann sich erst mal an der Bar nützlich machen. Dann sehen wir weiter.«
Carls Miene verfinsterte sich. »Boss, wir brauchen niemanden. Warum geben Sie ihr nicht ein bisschen Geld und…«
»Carl, Carl«, sagte Grant und nahm den Hünen mit übertriebener Zärtlichkeit in den Arm. »Als ich hier eben reinging, stand, glaub ich, ›Grants Club‹ über der Tür. Das heißt doch wohl, dass ich sage, wer hier arbeitet und wer nicht, oder? Diese Frau hat mir gerade den Arsch gerettet. Also, Ludmilla gehört ab sofort zur Mannschaft
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