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Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Titel: Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz
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männlichen Gast.
    Matti war der erste Mensch seit meiner unheimlichen Verwandlung, der mich zum Lachen brachte. Ich begann so langsam, den Abend zu genießen, als plötzlich Linda hinter mir stand.
    »Guter Arsch«, sagte sie trocken, als ich mich gerade nach einer Flasche bücken wollte. Ich sah auf. Linda war etwa Ende Vierzig, blond, klein und drall. Eine früh verblühte Schönheit, der man ansah, da ss sie nichts in ihrem Leben ausgelassen hatte.
    »Danke«, sagte ich. »Freut mich, da ss Ihnen mein Hintern gefällt.«
    Linda lachte. Es klang rau . Nach Whisky und vielen Zigaretten.
    »Sag Linda zu mir. Wir duzen uns hier. Du bist Ludmilla?«
    Ich nickte.
    »Grant hat mir von dir erzählt. Alle Achtung, Kindchen, scheinst ja was drauf zu haben. Aber glaub nicht, da ss er dich nur aus Dankbarkeit hierbehält. Du bist hübsch, stellst keine Fragen und kannst sogar mit randalierenden Männern fertigwerden. So was kann unser Richard immer brauchen.«
    Ich beschlo ss, erst einmal zu schweigen.
    »Nichts gegen Grant«, fuhr Linda fort. »Wir sind alte Freunde, Richard und ich. Ich sage es dir nur, damit du… ach, Scheiße, was rede ich hier eigentlich… Hat Matti dir schon beigebracht, seinen Spezial-Cocktail zu mixen – ›Die letzte Ölung‹? Den brauch ich jetzt. Ach, Quatsch, um das zu können, braucht man Jahre, stimmt’s, Matti, alte Schwuchtel?«
    Ich zuckte zusammen. Aber Matti lächelte nur, murmelte: »Die Ölung kommt«, und griff sich ein Glas.
    Linda schwieg ein paar Sekunden und sah dem Mixer zu.
    »Matti ist so warm, dass er schon glüht«, sagte sie. »Aber gleichzeitig hat er soviel Angst vor Aids, dass er enthaltsam wie ein Mönch lebt. Dabei hat er unendlich viele Chancen, der kleine Charmeur.«
    »Linda, halt dein Schandmaul«, antwortete Matti trocken und wandte sich mir zu.
    »Nimm sie nicht allzu ernst. Seit Linda nicht mehr anschaffen geht, ist sie irgendwie so unausgeglichen.«
    Linda lachte wieder wie ein asthmakranker Boxer und griff sich den Cocktail, den Matti ihr reichte.
    Sie trank die Hälfte des Glases in einem Zug.
    Später am Abend erfuhr ich, da ss sie mal mit Grant liiert war, nach ihrer Trennung zu trinken angefangen hatte und tatsächlich eine Zeitlang auf den Strich gegangen war. Grant hatte sie schließlich von der Straße geholt und ihr den Job in seinem Club als Mädchen für alles besorgt. Sie kümmerte sich um das Showprogramm, buchte die Künstler, Tänzerinnen und Musiker und sorgte mit Carl zusammen für den Einkauf. Niemand wusste, warum Grant sie damals überhaupt eingestellt hatte. Er galt als fairer, aber knallharter Geschäftsmann. Wer nicht reibungslos funktionierte, flog raus. Drogen und Alkohol duldete er nur bei seinen Gästen, nicht aber bei seinen Mitarbeitern. Bei Linda drückte er allerdings beide Augen zu.
    Als der Club sich langsam leerte, setzte sich Linda zu mir, klopfte mir auf die Schulter und sagte: »Siehst eigentlich aus wie eine höhere Tochter, Mädchen. Erzähl mal was von dir. Wo kommst du her?«
    Ich schwieg für einen Moment erschreckt. Typisch, dass ich mir nicht längst in Ruhe eine neue Biographie zurechtgelegt hatte. Zum Glück rettete mich Grant, der plötzlich auftauchte.
    »Na, Ludmilla, ich sehe, da ss du schon zwei unserer Besten kennengelernt hast. Matti, ich brauche einen Absacker. Mach mir ’ne Ölung.«
    Es war bereits drei Uhr nachts. Höchstens fünf Gäste saßen noch an den Tischen. Lindas Frage schwebte trotz der Unterbrechung durch Grant immer noch im Raum, und ich spürte auch Mattis Neugierde.
    Schnell stand ich auf. »Ich danke euch für den netten Empfang. Seid mir nicht böse. Aber ich fühle mich nicht sonderlich wohl. Ich gehe draußen noch ein paar Schritte.«
    Dann verließ ich eilig den Club. Die anderen hatten nichts erwidert. Aber ich wu sste, dass ich sie durch mein sonderbares Verhalten nur noch neugieriger gemacht hatte.
    Die kühle Luft belebte mich auf der Stelle. Auf den Straßen war immer noch viel los. Musik tönte aus den Lokalen. Schwer alkoholisierte Menschen zogen im Pulk umher und machten einen Heidenlärm. Ich lief ziellos umher. Leute sprachen mich an, aber ich ging wortlos weiter und dachte nach. Lindas Bitte, etwas von mir zu erzählen, hatte mich unvorbereitet erwischt. Aber ich spürte, da ss mich noch etwas anderes beunruhigte. Und auf einmal wusste ich, was es war. Die Freundlichkeit, die Sympathie, die mir Matti, Linda und Grant entgegenbrachten, machte mich schwach, verwirrte mich.

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