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Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Titel: Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz
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»Aber seit ich ein kleiner Junge bin, will ich wissen, was mit Geistern und Vampiren ist? Hellsehen ist doch langweilig. Gibt’s nun Monster oder nicht?« Dann lachte er vor Begeisterung über sich selbst. Er fühlte sich gut in seiner Rolle als großer kleiner Junge, der dem Experten endlich diese coolen Fragen stellen konnte.
    Baker rollte mit den Augen. »Typisch Fernsehen. Alles soll in einer halben Minute erklärt werden. Nun gut, nehmen wir mal die Vampire. Fest steht, dass es in jeder Kultur diesen Mythos gibt. Es gibt in verschiedenen Archiven amtliche Aufzeichnungen, in denen detailliert beschrieben wird, wo Vampire gesichtet wurden, was sie taten und wie man ihrer Herr wurde. Das alles kann man nachlesen. Aber nicht in der Bücherei nebenan. Da muss man schon ein paar alte Sprachen können und die richtigen Handschriften besitzen. Irgendwann werde ich das alles mal veröffentlichen. Aber seriöse Quellenauswertung interessiert ja ohnehin niemanden. Ihr wollt ja alle nur Dracula-Geschichten.«
    »Und? Herr Professor? Haben Sie eine für uns? Wann trafen Sie Ihren letzten Vampir?«
    »Ach, junger Mann, ich könnte mir zwar vorstellen, dass Sie einer sind und von Einschaltquoten leben…« Der Rest seines Satzes ging im Applaus des Publikums unter.
    »Ich will aber«, resümierte Barker schließlich, »die Existenz von Vampiren keinesfalls ausschließen. Es kommt lediglich darauf an, diese andere Art des Seins zu erforschen und nüchtern zu analysieren. Jeder Vampir da draußen im Lande ist aufgerufen, sich bei mir zu melden. Ich sichere volle Diskretion und wissenschaftliche Unvoreingenommenheit zu.«
    Barker grinste in den Applaus hinein, und die Werbung begann.
    »Das kannst du haben, alter Mann«, sagte ich und schaltete den Fernseher ab.

13 - BARKER
    Schon wenige Tage später war ich dem Professor sehr, sehr nahe. Ich hatte seine Adresse im Telefonbuch gefunden und mich im Schutz der Dunkelheit zu seinem Haus geschlichen. In einem der Zimmer brannte noch Licht. Ich näherte mich langsam und immer auf Deckung bedacht. All meine Sinne arbeiteten auf Hochtouren. Ich mu sste äußerst vorsichtig sein. Der Professor wohnte in einem exklusiven Viertel am Rande der Stadt, das auf einem bewaldeten Hügel lag und gut bewacht war. Die Polizei und auch private Sicherheitsdienste machten dort nachts regelmäßige Kontrollfahrten. Hier wohnten die wirklich Reichen und Mächtigen. Barker hätte aufgrund seines Professorengehalts sicherlich nicht dazugehört, aber ein Erbe garantierte dem Wissenschaftler »finanzielle Unabhängigkeit«, wie ich es in einem der Bücher so nett formuliert gelesen hatte.
    Schon mein Weg in das Viertel hinein war nicht ganz einfach gewesen. Einmal war ich nur knapp einer Polizeistreife entgangen, die plötzlich um die Ecke bog. Nur meine Schnelligkeit bewahrte mich vor unbequemen Fragen und einer Kontrolle meiner Papiere. Wieder einmal ärgerte ich mich, da ss ich mir immer noch keinen gefälschten Ausweis zugelegt hatte.
    Die meisten Häuser waren hier zudem mit Bewegungsmeldern und Alarmanlagen gesichert. Als ich näher an Barkers Fenster heranschlich, rechnete ich jeden Augenblick damit, da ss gleißend helles Licht angehen oder eine Sirene ertönen würde.
    Aber nichts dergleichen geschah. Und schließlich hatte ich, nur notdürftig gedeckt durch einen Busch, freie Sicht in ein Zimmer. Barker saß an einem riesigen Schreibtisch und las in einem alten, ledergebundenen Buch. Ab und an schüttelte er verärgert den Kopf, kratzte sich an seiner großen Nase und notierte mit schwungvollen Bewegungen etwas in ein kleines Heft. Das Zimmer stand voller Regale, die sich unter unzähligen Büchern bogen. An den Wänden hingen Fotos, die das ägyptische Tal der Pyramiden im warmen Licht der untergehenden Sonne zeigten. Eher unscheinbar sah ein eingerahmtes Schriftstück aus. Als ich genauer hinsah, erkannte ich lächelnd, da ss es sich um eine Seite der Originalnotizen handelte, die der Schriftsteller Bram Stoker für seinen berühmtesten Roman Dracula angefertigt hatte. Die Notizen waren vor etwa zwanzig Jahren in der Rosenbach Library in Philadelphia entdeckt worden. Barker musste offenbar eine der Seiten ersteigert haben. Er hatte anscheinend wirklich etwas für Vampire übrig.
    Ich stand lange reglos vor dem Fenster und beobachtete den alten Mann. Wollte ich wirklich das Risiko eingehen und Kontakt mit ihm aufnehmen? Ihn gar in mein Geheimnis einweihen? Aber ich hatte gar keine andere Wahl.

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