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Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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fixiert.
    Schwarz öffnete den Mund zu einem Gähnen. Auch das kannte Büscher. Wenn Täter in die Klemme gerieten, gähnten sie oft.
    Büscher erklärte sich das so: Vermutlich schrie das Gehirn – das panisch nach einem Ausweg suchte – nach mehr Sauerstoff, um gedankliche Höchstleistungen erbringen zu können.
    Schwarz sprach gegen die Scheibe, ganz so, als würde er nicht mit Kommissarin Schiller, sondern mit Büscher reden.
    »Mein Schwiegervater war ein Stinkstiefel! Er hat sich in alles eingemischt. Wir haben uns immer gezankt. Ich konnte ihm nichts recht machen. Ob Sie es glauben oder nicht, ich war froh, als sein Sargdeckel geschlossen wurde.«
    Na, das hörte sich doch mal nach ehrlichen Worten an. Kam jetzt die Zeit der Geständnisse? Zerriss das Netz der Lügen?
    »Und Ihre Ehe? Wie stand es damit?«
    Schwarz ballte die Fäuste. Er presste sie gegen die Scheibe des Verhörraums. Büscher erinnerte sich an einen Straftäter, der versucht hatte, mit seinem Stuhl diesen Spiegel zu zertrümmern. Später erzählte der Mann, er hätte mal im Fernsehen gesehen, wie jemand auf diese Weise geflohen sei.
    Ja, im Fernsehen klappte das vielleicht, da waren die Scheiben auch aus Zucker und nur dazu gemacht, um später eingeschlagen zu werden. Hier bei ihnen im Revier prallte der Stuhl höchstens ab und schlug dem Werfer mit ein bisschen Pech die Zähne ein.
    »Ich habe meine Frau geliebt«, sagte Holger Schwarz und drückte seine Fäuste noch fester gegen das Glas.
    »Ihre Nachbarin im Parterre, die Frau Schröder, sagt aber, sie habe oft Streit gehört. Es hätte mit Ihrer Ehe nicht zum Besten gestanden.«
    »Ach, die alte Schachtel!«
    »Wollen Sie damit andeuten, dass die Frau lügt?«
    Jetzt fuhr Schwarz herum. Er duckte sich leicht, wie ein Raubtier vor dem Sprung. Er brüllte: »Mein Gott, in welcher Ehe gibt es nicht mal Streit?! Nennen Sie mir eine! Eine! Haben Sie sich nie mit Ihrem Partner gezankt?« Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern fuhr fort. »Und haben Sie ihn deshalb umgebracht?«
    Sie hätte um ein Haar gekontert: »Ich bin Single.« Aber dann riss sie sich zusammen, weil Büscher sie beim letzten Mal gemaßregelt hatte, sie dürfe in Verhören nicht zu viel von sich preisgeben, sonst wisse der Täter am Ende mehr über sie als sie über ihn.
    »Ich stelle hier die Fragen!«, sagte sie, um bei Büscher zu punkten, was ihr auch gelang. Von Holger Schwarz erntete sie nur ein süffisantes Grinsen. Sie fühlte sich von ihm nicht ernst genommen.
    »Sie sind Polizistin«, sagte Schwarz. »Sie werden von meinen Steuergeldern bezahlt. Tun Sie Ihre Pflicht! Jagen Sie den Mörder meiner Frau!«

11
    Leon hatte weder die rote noch die blaue Tablette genommen. Er brauchte keine Beruhigungsmittel. Er wollte sich nicht beruhigen. Er brauchte jetzt all seine Energie, und er musste ganz klar im Kopf sein. Er hatte noch keinen ernsthaften Plan. Er wusste nur, dass er hier raus musste. Er hatte eine Schreckensvision vor Augen: Seine Mutter lag auf dem Friedhof, sein Vater saß im Gefängnis und er selbst in einem Erziehungsheim.
    Zum Glück war noch kein Polizist vor seiner Tür postiert und passte auf ihn auf, und bevor jemand auf so eine Idee kommen würde, wollte er weg sein.
    Er brauchte zunächst Klamotten. Er glitt leise aus dem Bett und pirschte barfuß zum Schrank von Hassan Özdemir. Der junge Türke schlief noch immer, und trotz des schweren Unfalls grinste er im Schlaf.
    Leon stieg in die Jeans. Sie war ihm zwei Nummern zu groß und die Beine zu lang. Ein Bein war noch klebrig vom Blut. Jemand hatte die Hose aufgeschnitten, wahrscheinlich, um das gebrochene Bein aus der Jeans herauszubekommen.
    So einen Pullover hätte er freiwillig nie angezogen. Er war so betont selbstgestrickt, mit einem V-Ausschnitt am Hals. Aber jetzt eignete er sich prima, um den Sitz der Hose zu verbessern. Leon stopfte den Pullover hinein und zog den Gürtel fest.
    Hoffentlich passen mir die Schuhe, dachte Leon. Es waren neue, gute Outdoor-Turnschuhe. Blau mit goldenen und silbernen Streifen. Größe 44. Leon hatte 42.
    Aber dafür war die Lederjacke der absolute Knaller. Eine schwarze Motorradjacke. Tailliert und mit Schulterstreifen. An den Ellbogen und dem langen Revers leicht abgeschabt. Die Jacke war schwer und sah aus, als könnte sie mühelos eine kugelsichere Weste ersetzen oder einen Messerstich abfangen.
    Leon Schwarz hätte am liebsten einen Entschuldigungsbrief auf Hassan Özdemirs Bett gelegt. Er fühlte

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