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Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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zweite Scheinwerfer eine Reflexion auf deiner Stirn.«
    Tatsächlich glänzte die Haut ein bisschen.
    »Aber deshalb muss man das Bild doch nicht löschen«, protestierte Leon, als Maik die Löschtaste drückte.
    »Von tausend Fotos bleiben meist nur zwei, drei übrig«, sagte Maik, und es klang mehr stolz als traurig.
    »Ja«, bestätigte Ben. »Er ist sehr kritisch. Ich habe verdammt viel von ihm gelernt. Vor seinen Augen hat nicht viel Bestand.«
    Jessy bettelte: »Bitte nicht löschen, Maik! Kann ich die nicht wenigstens haben? So tolle Bilder hat noch nie jemand von mir gemacht.«
    Maik zerbröselte das nächste Foto in seine Pixel.
    »Bitte, Maik! Nicht!«, rief Jessy.
    Er lächelte. »Wir suchen die besten aus. Das hier ist nicht gut.« Er tippte auf den Bildschirm. »Hier, das sieht aus, als hättest du unreine Haut.«
    »Kann man das nicht bearbeiten?«, fragte Ben.
    Schon verschwand auch dieses Foto.
    Das nächste zeigte Jessy mitten in der Bewegung. Sie warf den Schuh, aber das konnte man nicht sehen, denn Ben hatte nur ihr Gesicht fotografiert, keine Arme, keine Schultern. Trotzdem hatte diese Aufnahme etwas ganz Besonderes. Jessy total konzentriert auf einen für den Betrachter unsichtbaren Punkt. In ihrem Blick lagen Erschrecken und Hass zugleich.
    »Die junge Kriegerin«, sagte Ben bewundernd. »Das ist es. Damit stichst du alle Mitbewerberinnen aus, Jessy. Die völlige Präsenz. Wenn Regisseure oder Produzenten das nicht zu schätzen wissen, dann kannst du diese Flaschen sowieso vergessen. Man muss ein Talent auch erkennen können, und das hier ist eins. Ob auf dem Laufsteg oder in einer Fernsehserie – mit der Authentizität haust du sie alle um.«
    Jessy küsste Ben für seine Worte auf die Wange.
    »Bedank dich lieber bei Leon«, sagte Ben, »auf den warst du doch so sauer, und er hat das aus dir rausgekitzelt.«
    Jessy zögerte einen Moment. Ben nickte ihr aufmunternd zu. Dann hauchte sie einen schnellen Kuss auf Leons rechte Wange.

30
    In der Nacht wachte Leon schweißgebadet auf. Er schreckte aus einem düsteren Traum hoch. Eine dunkle Gestalt ging in die Garage. Leon konnte das Gesicht nicht sehen. Nur die Füße und den Rücken. Es war ein Mann. Er roch nach Gülle oder Verwesung. Er leuchtete mit einer Taschenlampe den Raum ab, bis der Lichtkegel den Blumentopf gefunden hatte. Er wusste genau, wo er suchen musste. Er fischte den Türschlüssel heraus und ging über den Hof zum Wohnhaus. Er machte das Licht im Flur nicht an. Vielleicht hatte er Angst, das Klacken könnte ihn verraten. Es gab jedes Mal ein unangenehmes mechanisches Geräusch. Jeweils nach zwei Minuten knallte es noch einmal, wenn das Licht sich automatisch wieder ausschaltete. Es war kein Bewegungsmelder, sondern eine Zeitschaltuhr.
    Leon sah den Mann die Treppe hochgehen, vorbei an der Wohnungstür von Oma Schröder mit ihren Katzen. Das Maunzen war zu hören. Dann weiter, vorbei an der Tür von Kai Olschewski und Kim.
    Er suchte zielsicher die Wohnung der Familie Schwarz. Er schob den Schlüssel ins Schloss und öffnete leise, fast lautlos.
    Leons Mutter saß mit einem Kissen im Rücken im Bett und las Stieg Larsson.
    Der Mann ging in die Küche und holte sich ein Messer aus dem Messerblock. Eines, das Leon dort vorher noch nie gesehen hatte.
    Leon wollte schreien und seine Mutter warnen. Vielleicht tat er es sogar. Jedenfalls wachte er mit Herzrasen auf.
    Ihm war sofort klar, dass selbst wenn seine Mutter die Tür nicht geöffnet hätte, der Täter ein sehr intimes Wissen gehabt haben musste. Schließlich hatten sie nie rumerzählt, wo ihr Reserveschlüssel versteckt war. Hatte seine Mutter es ihrem Lover verraten? Warum? Aus Versehen? In einer unbedachten Minute, als Anekdote über die Trotteligkeit ihres Mannes?
    Leon beschloss, sich diesen Jörg Parks anzusehen. Aber etwas anderes irritierte ihn noch mehr. Er stellte sich jetzt die Frage, warum der Täter, wenn er vorhatte, einen Mord zu begehen, nicht selbst ein Messer mitgebracht hatte. Wieso hatte er erst eines aus dem Messerblock geholt und später wieder dahin zurückgesteckt?
    In seinem Traum hatte Leon genau gewusst, dass etwas mit dem Messer nicht stimmte. Er kannte es nicht, und eins war sicher: Er hatte jedes Messer im Haushalt in der Hand gehabt, und die Fischmesser seines Vaters dazu. Er hatte schon als Zehn-, Elfjähriger seinem Vater dabei geholfen, die Messer zu schleifen.
    »Messer«, hatte sein Vater gern gesagt, »müssen scharf sein, sonst sind sie

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