Nachtblauer Tod
nachts gefolgt und habe gesehen, wie er im Baum saß und Fotos gemacht hat.«
Büscher grinste, und sein rechtes Bein wippte immer schneller. »Nun haben wir aber nicht Maik Homburger im Garten gefunden, weil unter ihm das Rosengerüst zusammengebrochen ist, sondern dich.«
»Ja, stimmt. Ich wollte aufs Dach klettern, um zu gucken, was er da fotografiert.«
»Super Idee, findest du nicht?«
Die Psychologin schüttelte den Kopf und sah Büscher ermahnend an.
»Ja, vielleicht war das blöd, aber … was hätten Sie denn an meiner Stelle gemacht?«, wollte Leon wissen.
»Ich wäre nie in so eine Situation gekommen!«, wehrte Büscher ab.
»Klar«, sagte Leon. »Weil niemand Ihre Mutter umgebracht hat.«
»So habe ich das nicht gemeint«, gab Büscher spitz zurück und legte beide Hände auf sein zitterndes Knie.
»Bist du dir denn ganz sicher, dass du Herrn Homburger gesehen hast?«, fragte Frau Müller-Felsenburg.
Das passte Büscher nun gar nicht, und er fuhr ihr über den Mund: »Sie sind Psychologin. Die Ermittlungen leite ich.«
»Ich frage den Jungen nur nach seinen Wahrnehmungen!«, rechtfertigte sie sich.
Büscher winkte barsch ab. »Ach was! Das ist doch alles eine Luftnummer. Fadenscheinige Ausreden. Er hat erst an Michael Homburgers Computer herummanipuliert und von da aus einen Hackerangriff auf den PC von Jörg Parks gemacht. Dann hat er den E-Mail-Verkehr von Herrn Parks chaotisiert. Schlauer Schachzug. Respekt. Damit hat er ihm eine Menge Ärger gemacht. Und jetzt wollte unser ach so braver Leon Schwarz mit dem Fotoapparat heimlich ein paar Fotos von Elisabeth Fels machen. Die hätte er dann auf Michael Homburgers Computer installiert, oder auf dem von Jörg Parks. Ist doch völlig egal, Hauptsache, irgendeiner wird verdächtig gemacht. Stimmt’s? Ich frage mich nur, woher unser Früchtchen wusste, dass Frau Fels bereits Anzeige gegen Unbekannt erstattet hatte … Er musste jetzt nur noch nach …«
»Ich wusste nichts davon!«, verteidigte sich Leon.
»Zufällig ist Herr Summerer, der Anwalt deines Vaters, auch der von Frau Fels, und da schließt sich der Kreis, mein Lieber. Man darf anderen Leuten keine Straftaten in die Schuhe schieben. Das ist selbst eine strafbare Handlung!«
In Leons Kopf drehte sich ein Karussell. Es war, als sei er plötzlich mit Kommissar Büscher und Frau Müller-Felsenburg auf der Achterbahn gelandet, und sie befanden sich mitten im Looping. Die Wände rasten auf Leon zu, und alles geriet ins Trudeln. Die Bilder verwischten. Für Sekunden musste Leon die Augen schließen.
»Ist dir nicht gut?«, fragte Frau Müller-Felsenburg.
Leon hörte ihre Worte. Es waren langgezogene Schmatzer, als würde sie nicht sprechen, sondern Kaugummi kauen.
»Michael Homburger hat uns diesen Chip hier gebracht, Leon. Weißt du, was da drauf ist?«
Leon konnte durch die schnell auf ihn einstürzenden Bilder den Chip in Büschers Hand nicht einmal sehen.
»Lassen Sie ihn doch. Sie sehen ja, wie es ihm geht«, bat Frau Müller-Felsenburg, aber Büscher wollte sich nicht von irgendeiner Show reinlegen lassen. Er fuhr unbeirrt fort: »Da sind all die schönen digitalen Bilder drauf, die du von Elisabeth Fels gemacht hast. Wie sie sich vor der Dusche auszieht. Wie sie sich die Haare föhnt …« Büschers Stimme wurde lauter, vorwurfsvoller: »Ja, sogar wie sie auf dem Klo sitzt.«
»Nicht so laut«, bat die Psychologin. »Sie sind unmöglich, Herr Büscher.«
Leon sah zu den anderen Gästen im Café. Alle starrten in seine Richtung. Jeder lauschte dem Gespräch. Wo bekam man schon so eine spannende Unterhaltung geboten?
»Wie verstört muss einer eigentlich sein, um nachts auf Dächern rumzuklettern und solche Fotos zu machen, Frau Müller-Felsenburg?«, fragte Büscher.
»Sie können den Jungen doch hier nicht vor aller Welt vorführen?!«, mahnte Marianne Müller-Felsenburg.
»Sie wissen auch nicht, was Sie wollen! Erst überreden Sie mich, ihn ja nicht mit aufs Revier zu nehmen, weil seine arme Seele ja Schaden nehmen könnte. Deshalb sitzen wir hier in diesem trutschigen Café! Weil Sie es so wollten! Meinetwegen können wir direkt …«
Er stand auf. Sie blieb sitzen. »Nein, herrjeh! Es ist schon besser hier.
Aber müssen Sie denn so laut sein?«
»Hier gibt es nichts zu lauschen!«, fuhr Büscher einen Rentner an, der so intensiv zuhörte, dass er seine Nusstorte völlig vergessen hatte. Der gute Mann zuckte erschrocken zusammen und verschüttete seinen
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