Nachtblauer Tod
für ein gerissenes Luder, dachte er. Was für eine gottverdammte Zicke.
Diese Clara Vogt hatte ihm vor zwei Jahren schon einmal eine Mordanklage zerpflückt und ihn vor Gericht saublöd aussehen lassen. Er hatte den Typ trotzdem überführt.
Vielleicht, dachte Büscher jetzt, war es dieser Parks ja doch. Ich würde es der Vogt gönnen. Wenn wir den zweiten Klienten von ihr dingfest machen, ist sie in der Stadt erledigt. Dann kann sie woanders die Gerichte nerven. Wer zweimal auf unschuldig plädiert und damit baden geht, gilt in kriminellen Kreisen als angeschossen.
47
Die Nacht in der Zelle fand Leon gar nicht so schlimm. Seine Verletzungen waren verarztet worden. Er hatte sogar eine warme Mahlzeit bekommen. Eine Erbsensuppe, lauwarm und mit einem Würstchen drin.
Die kratzige Pferdedecke benutzte er nicht. Er hatte lange wach gelegen in diesem engen Raum. Zweimal hatte jemand durch den Spion in die Zelle geguckt. Sie hatten ihm alles abgenommen, womit sich jemand umbringen konnte, sogar seine Schuhriemen. Aber er hatte nicht vor, sich umzubringen. Maik dagegen hätte er gerne gekillt.
Er fragte sich, wie es jetzt weitergehen sollte. Garantiert hatte Maik den Sturz mitbekommen und wusste jetzt, dass er hinter ihm her war.
Was würde Maik tun?
Er konnte Ulla, Johanna und Ben schlecht erzählen, wobei er ihn erwischt hatte, dann käme er in Erklärungsnotstand, was er selbst dort zu suchen hatte. Bestimmt würde Maik vorgeschobene Gründe finden, Leon rauswerfen zu lassen.
Leon beschloss, der Polizei die Wahrheit zu sagen, aber jeder andere als Büscher wäre ihm lieber gewesen.
Warum musste er es ausgerechnet mit diesem Unsympathen zu tun haben? Mit Polizisten war es für Leon nicht anders als mit Lehrern. Es gab welche, mit denen er klarkam, und andere, mit denen eben nicht.
Leon erinnerte sich daran, dass sie mit der Schulklasse mal das Amtsgericht besucht hatten. Sie durften sogar bei zwei Prozessen dabei sein. Der Gerichtspräsident Uwe Lissau persönlich hatte sie durch die Räume geführt und mit ihnen gesprochen. Er hatte ihnen das Bild vor dem Saal 219 erklärt.
Da stand: Ohne Irrtum kann niemand eine Aussage über uns machen .
Jedes Wort auf einer eigenen Tafel. In der nächsten Zeile gab es die gleichen Worte, doch die Reihenfolge war durcheinandergewürfelt, und am Ende, in der letzten Zeile, stand: Ohne uns kann niemand eine Aussage über Irrtum machen .
Das Kunstwerk hatte Leon damals so sehr beeindruckt, dass er sich sogar den Namen des Künstlers gemerkt hatte. Michael Weisser.
Wenn ich nicht Büscher meine Geschichte erzählen müsste, sondern diesem Gerichtspräsidenten, dachte Leon, dann wäre alles leichter für mich. Wer solche Kunstwerke im Gericht aufhängt, kann als Typ nicht ganz verkehrt sein.
Aber dann kam Kommissar Büscher und brachte gleich die Psychologin mit. Die beiden hatten längst einen Plan. Sie gaben sich Mühe, ruhig zu wirken, als sei das hier ein ganz alltägliches Ereignis.
Sie luden ihn ins Café David ein.
Okay, dachte Leon, Hauptsache, raus aus dieser Zelle. Seine Haut begann schon zu jucken.
»Das Leben«, sagte Büscher, »beginnt in einer Zelle, und es endet bei Strolchen in einer solchen.«
Dabei grinste er breit, aber Marianne Müller-Felsenburg ließ die Luft raus und sagte: »Ja, das ist sehr geistreich, aber leider nicht von Ihnen, sondern von Heinz Ehrhardt.«
Sie redeten und frotzelten und fragten nur mal – fast nebensächlich – nach, was denn letzte Nacht vorgefallen sei.
»Okay«, sagte Leon. »Fangen wir am Anfang an.«
Aber dann wurde er gleich vom Kellner unterbrochen. Marianne Müller-Felsenburg bestellte sich einen doppelten Espresso, Büscher nahm einen Latte Macchiato, und als Leon zögerlich einen Kaffee bestellte, stupste die Psychologin ihn an. »Dein Frühstück war doch bestimmt nicht gerade der Knaller, oder? Möchtest du nicht ein paar Rühreier?«
Leon lehnte ab. Büscher sah auf seine Uhr und wippte mit dem rechten Bein. Er tat nur so supercool, in Wirklichkeit war er nervös.
»Also«, begann Leon, »noch einmal von vorne. Ich habe auf Maik Homburgers PC verdächtige Bilder gefunden.«
»Was heißt das? Verdächtige Bilder? Kinderpornographie oder so etwas?«
»Nein, Aufnahmen von Jessy, einer Freundin von Ben. Heimlich geknipst. Das kam mir verdächtig vor. Und in Wirklichkeit arbeitet er gar nicht für den Security-Homeservice. Er erzählt das nur. Der ganze Kerl besteht aus lauter Lügen. Und dann bin ich ihm
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