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Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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bei Mordfällen diskutiert. Das Sprechen darüber schien hilfreich zu sein, schien sein Denken zu ordnen, auch wenn Weather nicht viel sagte. Sie verfielen wieder in dieses Muster, wobei Weather ihn mit gelegentlichen Fragen anspornte: »Wieso glaubst du das?«, oder »Woher weißt du das?«, oder »Wie hängt das zusammen?«
    Sie machten am Ende des Flurs kehrt, und Del trat aus Marcys Zimmer, sah zu ihnen herüber, ging wieder zurück. Weather fragte: »Was machst du heute Abend? Hast du Lust auf eine Pasta?«
    »Ich kann leider nicht«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Du weißt ja, wie das ist, wenn ein Fall sich zuspitzt … Purer Stress. Darf ich dich später einmal anrufen?«
    »Ja, ich denke, das darfst du«, antwortete sie. Dann packte sie sein Ohrläppchen, zog seinen Kopf zu sich herunter und küsste ihn auf die Wange. »Bis bald einmal«, sagte sie.

23
     
     
     
    Lucas aß zu Hause in der Küche schnell ein Rindfleisch-Gurken-Sandwich, ließ sich ein paar Minuten von der Dusche berieseln, zog dann Jeans, ein Golfhemd, darüber ein Sweatshirt, eine Lederjacke und Stiefel an. Er überlegte, ob er den Tahoe nehmen sollte; er würde besser zu dem Unterfangen passen.
    Aber Jael schien nun mal ganz versessen auf den Porsche zu sein.
    Also nahm er den Porsche, fuhr über die Ford Bridge und dann nach Norden den Mississippi entlang zu Jaels Studio. Sie hatte ein Outfit gewählt, das seinem sehr ähnlich sah: Lederjacke, Jeans, Cowboystiefel sowie eine mit Türkisen besetzte Silberkette. »Wir sehen aus, als ob wir zu einem Squaredance unterwegs wären«, sagte sie.
    »Komm, lass uns gehen.« Unten im Studio fiel ihr plötzlich ein, dass sie ihren Hausschlüssel vergessen hatte. »Bin sofort zurück …« Einer der Bewachungs-Cops saß auf dem Fußboden und hantierte mit einer Playstation. Er sah zu Lucas hoch und sagte: »Sie brechen mir mein verdammtes Herz, Chief Davenport.«
    »Heh, wir gehen zur Kirche.«
    »Ja«, sagte der Cop, und dann: »Verdammte Scheiße, jetzt habe ich den gelben Block verpasst!«
    Jael kam mit ihrem Schlüssel zurück, sagte: »Auf geht’s.«
    Der Cop sah Lucas an, kniff ein Auge zu, und Lucas hob die Schultern und folgte Jael aus der Tür.
     
     
    Olson predigte in der »Evangelischen Kirche des triumphierenden Christus« in Young America, einer Stadt, die eine knappe Fahrstunde westlich von Minneapolis liegt. Die Kirche war ein langer schmaler Holzbau mit einem Glockenturm im Neuengland-Stil und einem geschotterten Parkplatz an der Seite. Lucas stellte den Wagen auf dem schon fast vollen Platz zwischen einem herausgeputzten Fort F-150 und einem Chevy S-10 mit Schneeraumschaufel ab; der Tahoe hätte gut zu diesen Wagen gepasst, aber der Porsche wirkte zwischen ihnen wie eine Küchenschabe zwischen zwei Kühlschränken. Zehn Plätze weiter war, wie Lucas sah, ein unauffälliger Dienstwagen der Stadtpolizei Minneapolis hinter einem Van geparkt. Vor dem Eingang zur Kirche stand ein dünner Mann mit rosigem Gesicht, gekleidet in einen langen schwarzen Trenchcoat, neben einem Kupferkessel, wie man ihn oft bei der Heilsarmee sieht. Darüber bat ein Schild um eine Spende, und in kleineren Buchstaben wurde auch deren Höhe vorgeschlagen: »$ 2 pro Person.«
    Jael sagte: »Ich dachte, Reverend Olson würde keinerlei Entgelt annehmen«, und der Mann am Spendenkessel erklärte: »Das Geld ist für die Kirche gedacht, Ma’am. Reverend Olson lässt sich nicht einmal das Spritgeld für die Fahrt hierher vergüten.«
    Lucas legte eine Fünfdollarnote in den Kessel, und der Mann sagte: »Vielen Dank, Leute – ihr geht am besten gleich rein, wenn ihr noch einen Sitzplatz haben wollt.«
    Das Innere der Kirche war völlig schmucklos: weiße Wände, Naturholzboden, ein Mittelgang zwischen den Bankreihen und ein roh behauenes Kreuz am anderen Ende. Die Bankreihen waren fast voll besetzt; zwei Dutzend Leute liefen noch herum und suchten Sitzplätze. Lucas und Jael nahmen in einer der hintersten Reihen Platz. Es war warm im Kirchenraum, und sie zogen ihre Mäntel aus. Vorne links saßen, wie Lucas erkannte, zwei weibliche Cops von der Drogenfahndung und unterhielten sich angeregt. Innerhalb von fünf Minuten waren alle Sitzplätze belegt, und die Leute fingen an, sich im Mittelgang niederzulassen.
    »Der verantwortliche Feuerwehrchef müsste eigentlich mit einer Herzattacke zusammenbrechen«, murmelte Lucas, während sich noch weitere Leute in die Kirche drängten.
    Jael lehnte sich zu ihm hin

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