Nachtblind
seinen Zweifeln an der Schuld Rodriguez’ und der Möglichkeit, dass jemand anders als Täter in Frage kam. Sie erzählte von ihren Gesprächen mit den Cops, insbesondere mit dem einen, der Interesse an der Töpferei gezeigt hatte.
»Wahrscheinlich gilt sein Interesse mehr deinem Hintern«, sagte Lucas.
»Ich kann den Unterschied erkennen«, sagte sie. »Und zwar daran, wie das Gesicht eines Menschen aufstrahlt, wenn er zusieht, wie eine Keramik auf der Töpferscheibe emporwächst. Dieser Mann meinte es ernst, als er ›verdammt toll‹ sagte. Er war echt begeistert.«
»Vielleicht macht er sich irgendwann ja selbst ans Werk.«
»Du bist kein Töpfer-Typ«, stellte sie fest.
»Nein, aber ich mag die Töpfer-Typen.«
»Ja, das hast du bewiesen«, sagte sie grinsend.
»So habe ich das nicht gemeint«, sagte er ein wenig ungeduldig. »Ich schätze tatsächlich Menschen, die gute Arbeit leisten. Gute Kunsthandwerker. Gute Schreiner. Gute Maurer. Gute Reporter. Gute Cops. Alles das Gleiche.«
Sie kamen zur Cretin Avenue, wandten sich nach Süden, zurück in Richtung auf Lucas’ Haus. »Komischer Name für eine Straße«, sagte sie. »Cretin – klingt nach geistesschwach.«
»Sie ist nach einem Bischof benannt«, erklärte er. »Ich habe einen Freund, der in Normal, Illinois, zur Schule ging, dazu einen anderen, der die Cretin-Highschool hier in St. Paul besucht hat. Sie tragen stolz Normal- und Cretin-T-Shirts, und wenn sie zusammen auftreten, ist das immer Anlass für Witze über den Normalen und den geistig Behinderten.«
»Das kann doch höchstens für eine Sekunde witzig sein«, meinte Jael. »Danach ist es wohl nur noch peinlich.«
Zurück im Haus schloss Lucas die Tür hinter ihnen, und Jael sagte: »Nach all der kalten Luft ist es richtig gemütlich warm hier drinnen.«
»Möchtest du ein Bier? Ich habe neulich einen Videofilm gekauft – Streets of Fire , scheint gut zu sein, wenn auch ein wenig schmalzig.«
»Okay …«
Lucas holte das Bier, und als er zurück ins Wohnzimmer kam, schob sie gerade die Kassette in den Rekorder. Lucas schaltete mit der Fernbedienung das Fernsehgerät ein, drückte ihr eine der Bierflaschen in die Hand und ließ sich neben ihr aufs Sofa fallen. Der Film lief an, und Jael trank einen Schluck Bier, stellte es dann auf dem Couchtisch ab und zog ihr Sweatshirt aus. Darunter trug sie ein kariertes Hemd, darunter wiederum einen Büstenhalter. In Sekundenschnelle flatterte beides auf den Boden, gefolgt von der Hose und Unterhose, dann griff sie wieder nach ihrem Bier.
»Vielleicht sollten wir nebenher ein kleines Sexspielchen spielen, während wir den Spielfilm angucken«, sagte sie.
»Ich hoffe, dass wir beides gleichzeitig hinkriegen«, stimmte er zu und regulierte den Farbkontrast mit der Fernbedienung. »Rück ein bisschen nach links, du blockierst mir die Sicht auf den Fernseher.«
»Ich denke nicht daran«, knurrte sie. Sie schob sich auf seine Beine und löste seinen Hosengürtel. »Ich werde dir die verdammte Sicht auf den verdammten Fernseher für eine ganze Weile blockieren.«
26
Samstag. Achter Tag.
Er brachte Jael um zwei Uhr morgens zurück zu ihrem Haus. Dann fuhr er, hellwach und ruhelos, aufgewühlt vom Sex, auf der Interstate 394 bis zum 494-496-Ring, entschloss sich im letzten Moment, auf der 694 nach Norden zu fahren, und kam schließlich auf der I-94 zurück zum Zentrum von St. Paul. Die Fahrt dauerte fast eine Stunde, und er nutzte die Zeit, über Jael und Weather und Catrin nachzudenken.
Zu Weather gab es, daran ließ sich nun mal nichts ändern, eine besonders enge emotionale Bindung. Wenn sie am Morgen anrufen und sagen würde: »Zum Teufel mit allen Irritationen, lass uns nächste Woche heiraten«, würde er wahrscheinlich so fort zustimmen. Andererseits war es ja aber so, dass er trotz Weathers erster Zeichen für eine Aussöhnung immer noch mit Jael schlief – wobei »schlafen« absolut unzutreffend war. Er setzte die Verbindung zu Weather durch den Sex mit einer an deren Frau aufs Spiel, die nicht mehr lange in seinem Dunst kreis bleiben würde. Er wusste, dass Jael auf dem Absprung nach New York war, und Jael wusste, dass er das wusste; und wenn er sie nicht leibhaftig vor sich sah, dachte er kaum ein mal an sie – höchstens an den Sex mit ihr.
Aber sein Wagen steuerte automatisch immer wieder ihr Haus an, und er fand sich jedes Mal beim Sex mit ihr im Bett oder auf der Couch oder auf dem Fußboden wieder. Und es gefiel
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