Nachtblind
waren gerade bei Ihrer Chefin.«
»Ja, ich wusste, dass Sie zu ihr kommen wollten.«
»Nicht sehr zufrieden stellend«, urteilte Olson. »Sie war ziemlich … nun, ich möchte nicht ›ausweichend‹ sagen, aber sie war doch weit weniger positiv, als ich es erwartet hatte. Über diesen Mr. Rodriguez.«
Lucas sah ihn eine lange Sekunde an, blickte dann in die Runde der restlichen Gruppenmitglieder. »Kann ich Sie ganz kurz einmal unter vier Augen sprechen?«, fragte er dann.
Olson nickte, schaute auf sein Gefolge aus Burnt River und sagte: »Entschuldigt mich einen Moment.« Dann ging er mit Lucas ein Stück in Richtung Ausgang.
»Chief Roux hat, ehm … Wussten Sie, dass ich gestern Abend bei Ihrer Predigt war?«
»Ich meinte, Sie im Hintergrund gesehen zu haben, war mir aber nicht sicher«, antwortete Olson.
»Ich war sehr beeindruckt«, sagte Lucas und suchte nach den richtigen Worten. »Ich gehöre nicht derselben … christlichen Glaubensströmung an wie Sie, ich bin Katholik, aber ich war sehr … angetan. Ich will damit sagen, dass ich Sie für einen … einen guten Menschen halte; ich habe das gestern Abend endgültig erkannt. Und ich möchte Sie nicht anlügen. Auch Chief Roux hat Sie nicht angelogen, aber die ganze Wahrheit ist, dass die meisten von uns Rodriguez für unschuldig halten. Und davon überzeugt sind, dass er selbst ermordet worden ist.«
»Waaas?« Olson war völlig verblüfft, hielt seine Stimme jedoch unter Kontrolle. »Wer sonst wäre dann …?«
»Ein Banker namens William Spooner. Er war der Mann im Hintergrund, der Rodriguez ins Drogengeschäft gebracht und ihm aufgezeigt hat, wie er sein Drogengeld waschen kann … Und er hatte ein Verhältnis mit Sandy Lansing.«
»Warum verhaften Sie ihn dann nicht?«
»Wir ermitteln mit allen uns verfügbaren Möglichkeiten gegen ihn, aber um bei der Wahrheit zu bleiben – bitte behalten Sie für sich, dass ich Ihnen das gesagt habe –, es ist sehr schwierig, ihn zu überführen. Die beiden wichtigsten Zeugen gegen ihn waren Sandy Lansing und Richard Rodriguez. Sie sind beide tot. Wenn wir ihn verhaften und vor Gericht bringen würden, brauchte sein Verteidiger nichts anderes zu tun, als auf Rodriguez als wahrem Täter herumzureiten, und Rodriguez ist nun mal ein verlockenderer Verdächtiger. Er hat es nicht getan, aber die Verdachtsgründe sprechen gegen ihn.«
»Wollen Sie damit sagen, dass dieser Spooner nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann?«, zischte Olson.
»Ich weiß nicht, wie sich die Dinge entwickeln«, sagte Lucas. »Ich weiß es einfach nicht …«
»Und ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll«, knurrte Olson. »Ich sollte noch einmal mit Chief Roux sprechen …«
»Tun Sie das nicht, es würde nur Probleme für sie aufwerfen. Sie unternimmt alles, was in ihrer Macht steht, und das bei diesem irren Ansturm der Medien … Sie verfolgt das Ziel, das Interesse der Medien noch ein paar Tage auf Rodriguez zu konzentrieren – ihm kann das ja keinen Schaden mehr zufügen –, während wir uns auf die Ermittlungen gegen Spooner stürzen.«
»Das ist … Ich weiß nicht …«
»Ich möchte Ihnen sagen, was Sie tun können«, sagte Lucas und versuchte, den Ernst seiner Aussage tatsächlich auch zu empfinden . »Sie können für uns beten. Nach den Erfahrungen von gestern Abend bin ich überzeugt, dass es helfen wird.«
Olson sah ihn einige Sekunden prüfend an, sagte dann: »Das werde ich tun.«
Lucas verabschiedete sich, schüttelte Olson die Hand, ging dann an den Leuten aus Burnt River vorbei den Flur hinunter und weiter zu seinem Büro. Und spürte den dunklen Finger der Heuchelei an seiner Seele kratzen. Alles für die Gerechtigkeit, dachte er. Oder für irgendwas. Vielleicht einfach nur für einen Sieg …
Lucas wartete in seinem Büro, bis er sicher sein konnte, dass Olson verschwunden war, ging dann zum Morddezernat, suchte Lester. »Wir müssen ein paar Leute auf Spooner ansetzen«, sagte er. »Mehr zu seinem Schutz als zu seiner Beobachtung.«
»Warum? Was ist los?«
»Ich habe Olson gerade Spooners Namen genannt. Rose Marie habe ich nichts davon erzählt, um ihr den Kopf für die anderen Dinge frei zu halten. Aber wenn Olson anfängt, in seinem Wagen durch die Gegend zu fahren und wir nicht darauf vorbereitet sind … Er marschiert eventuell geradewegs zu Spooners Haustür und legt ihn um, ehe wir ihn daran hindern können.«
»Mann, diese Sache gefällt mir nicht«, sagte Lester und schüttelte
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