Nachtblind
Generalstaatsanwalt sich einmischen – wehe, man stand zwischen dem Generalstaatsanwalt und einer Fernsehkamera! – und der Polizei Unfähigkeit vorwerfen. In kürzester Zeit würde eine gottverdammte Schlammschlacht beginnen, und dann …
»Okay. Wenn wir nichts anderes auf Lager haben …«
»Ich habe TV 3 bereits einen Tipp gegeben, zwischen zwölf und eins heute Mittag in der Nähe des Hauses aufzumarschieren«, sagte Del. »Rose Marie und der Bürgermeister haben bei der Pressekonferenz gesagt, dass du die Ermittlungen im Mordfall Maison koordinierst; wenn du dann auch die Aktion gegen Shaw koordinierst, werden die Reporter versucht sein, zwei und zwei zusammenzuzählen … Doch das ist dann schließlich ihr Problem.«
»Aber das Hochnehmen Shaws ist keine gestellte Sache? Ich meine, es ist echt?«
»Ja. Shaw hat sich vor einer Woche eine Menge Dope besorgt und sofort mit dem Weiterverkauf an all die kleinen Dealer-Arschlöcher begonnen. Wir konnten ihn zunächst nicht festnageln. Aber jetzt sitzt er im Haus seiner Schwägerin in der Falle, und er hat noch genug von dem Zeug bei sich.«
Lucas nickte. »Wenn es nämlich ein getürkter Job wäre und jemand käme zu Schaden, würde sich das rumsprechen – und wir würden tief in die Scheiße geraten …«
Del nickte. »Wir sind gedeckt. Die Jungs von der Drogenfahndung haben mich gestern Abend informiert, noch vor dem Mord an Alie’e Maison, nachdem sie festgestellt hatten, dass Shaw zum Haus seiner Schwägerin geht.«
Das zwölf Mann starke Einsatzkommando versammelte sich in einem Polizeirevier in der Südstadt. Die Einweisung für die Aktion erfolgte durch einen Cop namens Lapstrake von der Fahndungsgruppe des Drogendezernats. Lapstrake war ein sanfter Mann Ende zwanzig mit einem Haarschnitt, den er sich offensichtlich selbst verpasst hatte. Er trug eine blaue Sears-Arbeitshose und ein blaues Hemd mit der Aufschrift »Cairn’s Glas« auf dem Rücken. Er demonstrierte anhand einer großen Schautafel, wie der Einsatz am und im Haus von George Shaws Schwägerin ablaufen sollte. Lucas und Del saßen auf Klappstühlen im Hintergrund und hörten zu.
»Es muss verdammt schnell gehen«, sagte Lapstrake und richtete einen Laserzeiger auf die Schautafel. »George hat überall in der Nachbarschaft Verwandte, und alle haben seine Telefonnummer in ihrem Kurzwahlspeicher. Die vier Mann der Gruppe eins erreichen von der vierunddreißigsten Straße aus die Rückseite des Hauses. Sie bilden zwei Trupps und gehen um dieses Haus hier …« Er richtete den Laserpunkt auf das Haus hinter dem Zielobjekt, fuhr dann fort: »… überwinden den Zaun und sichern den Hinterausgang und die Seitenfenster. Der Zaun ist nicht hoch, kein Problem.«
»Gibt’s da ’nen Hund?«, fragte jemand.
»Es gab mal einen, aber er hat inzwischen das Zeitliche gesegnet«, antwortete Lapstrake.
»Ach was, Scheiße«, sagte ein anderer Cop. »Die haben doch alle Pitbulls in dieser Gegend.«
»Da ist kein Köter mehr, wirklich nicht«, sagte Lapstrake grinsend. »Ehrenwort.«
Er richtete den roten Punkt jetzt auf die Vorderseite des Hauses. »Gruppe zwei sichert den Eingang, die Front und die Seiten des Hauses. Gruppe drei dringt durch die Haustür ein. Wir gehen davon aus, dass George im früheren Esszimmer schläft. Direkt hinter dem Eingang liegt das Wohnzimmer. Von dort führt ein Flur nach hinten, und gleich rechts befindet sich ein Türbogen. Dahinter ist das Esszimmer mit dem schlafenden George, aber aufpassen – es gibt eine Verbindungstür zwischen dem Esszimmer und der Küche.«
Lapstrake skizzierte das noch einmal mit dem Laserpunkt, vergewisserte sich, dass Gruppe drei alles richtig aufgenommen hatte. »Vom Verlassen der Fahrzeuge bis zur Ergreifung unseres Mannes darf höchstens eine Minute vergehen, keinesfalls mehr. Es besteht auch die Möglichkeit, dass er sich im Obergeschoss befindet, aber wir halten das für ziemlich unwahrscheinlich. Die Treppe führt vom Wohnzimmer aus nach oben – gleich links hinter der Tür.«
»Wer ist sonst noch im Haus?«, fragte einer der Cops. »Und wonach suchen wir speziell? Außer nach George?«
»Wir nehmen an, dass er Kokain in einer Menge von einem Viertelkilo bis zu einem ganzen Kilo im Haus hat, darüber hinaus auch geringere Mengen Heroin, wobei wir jedoch nicht genau wissen, wie viel es ist. Er bewahrt das Zeug meistens in weichen Plastiktuben auf, wie man sie in Campingläden kaufen kann, REI-Waschpaste oder so ähnlich.
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