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Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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erschüttert war.
    »Glauben Sie, Ihr Bruder könnte etwas damit zu tun haben?«, schaltete er sich ein.
    Sie sah ihn an, runzelte die Stirn, sagte dann: »Nein. Wenn Amnon jemanden umbringen wollte, dann mich.«
    »Warum Sie?«
    »Wir haben ein persönliches Problem.«
    »Er hat uns von der besonderen Beziehung zwischen Ihnen und ihm berichtet«, sagte Lucas. »Glauben Sie, dass die Auflösung dieser Beziehung eine Bereitschaft zu Gewalttätigkeit bei ihm ausgelöst haben könnte?«
    Sie wandte sich ab, sah auf den Boden, rang die Hände. »Amnon hat einen Hang zur Gewalttätigkeit. Aber er hat Alie’e nicht getötet, weil er ihr … keine Beachtung schenkte. Sie spielte in seinem Gefühlsleben keine Rolle. Und man muss ja wohl irgendein Gefühl für einen Menschen entwickelt haben, wenn man ihn umbringt, nicht wahr?«
    »Nein«, sagte Lucas. »Nicht, wenn man psychisch gestört ist. Menschen mit einer psychischen Störung töten manchmal nur aus dem Grund, sich von bestimmten Gedankengängen zu befreien. Die getötete Person kann ein völlig Fremder sein, wenn der Akt des Tötens … eine Art Heilmittel für den gestörten Geist bedeutet.«
    »Mein Gott, das ist ja schrecklich …«
    »Ja. Ihr Bruder …?«
    »Nein. Er ist nicht auf diese Weise gestört. Ich kenne ihn gut genug, um das sagen zu können.«
    »Wie kamen Sie und Ihr Bruder zu diesen Vornamen?«, fragte Swanson.
    »Unsere Eltern waren Hippies, stürzten sich von einer Gedankenwelt in die andere, und schließlich versuchten sie es mit dem Judaismus. Amnon und ich wurden während dieser Periode geboren. Es sind Namen aus dem Alten Testament.«
    »Ich bin Katholik«, sagte Lucas. »Wir haben uns nicht viel mit dem Alten Testament beschäftigt, als ich zur Schule ging. Haben die Namen eine Bedeutung?«
    »Jael war eine Art Zauberin. Die israelitische Prophetin Debora kämpfte gegen Sisera, den Kanaaniter, und sie besiegte ihn. Sisera floh vom Schlachtfeld und versteckte sich in Jaels Zelt. Als er einschlief, tötete ihn Jael, indem sie ihm einen Zeltpflock durch die Schläfen rammte.«
    »Autsch«, sagte Lucas. Das Aufflackern eines leichten Lächelns auf ihrem traurigen Gesicht? »Und Amnon?«
    »Amnon war ein Sohn Salomons«, erklärte Corbeau.
    »Oh, ein weiser Mann?«
    »Nein, nein«, sagte sie. »Er schlief mit seiner Schwester.« Sie sah die vier Männer der Reihe nach an, Sloan, Lucas, Swanson und ihren Anwalt, zeigte wieder die Andeutung eines traurigen Lächelns und sagte: »Waren meine Eltern Propheten, oder wie soll ich das verstehen?«
    Als sie fertig waren, blieben sie gemeinsam noch im Flur vor dem Vernehmungszimmer stehen, und Lucas fragte Jael: »Warum haben Sie den Beruf des Models aufgegeben?«
    »Meinen Sie, ich hätte es nicht tun sollen?«
    »Ich meine, Sie hätten es … bestimmt weiterhin tun können«, sagte er. Sie gab ihm das Gefühl, ein spießbürgerlicher Clown zu sein, und irgendwie gefiel ihm das.
    »Es ist langweilig«, sagte sie. »Es ist so ähnlich wie als Schauspielerin zu arbeiten, nur dass man dabei als Anfängerin noch schlechter bezahlt wird.«
    »Die Arbeit als Schauspielerin ist langweilig?«
    »Es ist ein verdammter Albtraum.« Sie lachte und legte die Hand auf seinen Arm, nur für eine Sekunde; sie gehört zu den Frauen, die andere Menschen gern berühren, dachte Lucas. »In einem Film mitzuwirken ist in etwa so aufregend, wie dem Gras beim Wachsen zuzuschauen.«
    Als Jael und ihr Anwalt gegangen waren, schlenderten Lucas und Sloan zum Morddezernat. Frank Lester sprach gerade mit Rose Marie. Er winkte Lucas zu sich.
    »Wie kommt ihr Jungs voran?«, fragte er.
    Lucas hob die Schultern. »Wir stoßen auf eine Flut von Motiven, aber keines, das eindeutig in Zusammenhang mit dem Mord an Alie’e oder Lansing zu bringen ist.«
    »Wieso?«, fragte Rose Marie.
    »Jeder könnte es gewesen sein«, sagte Lucas. »Wir sind auf Inzest, Eifersucht, Drogen, Dreiecksgeschichten gestoßen. Malen Sie sich aus, was Sie wollen – wir haben es bestimmt im Repertoire. Aber es gibt nichts, das auf eine spezielle Person hindeutet.«
    »Das habe ich Rose Marie gerade gesagt«, bestätigte Lester. »Wir haben so viele Verdächtige, dass es sich zu einem technischen Problem auswächst. Bis jetzt haben wir vierundfünfzig Teilnehmer an der Party namentlich erfasst, und es werden noch welche dazukommen. Wie zum Teufel soll man mehr als fünfzig Leute vernehmen und dabei auch noch gründliche Arbeit leisten? Wen soll man in die Zange

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