Nachtblüten
und Lorenzini öffneten die Wagentüren. Auch wenn Pictri nur ein kleiner Fisch war – sie konnten nicht untätig dasitzen und zulassen, daß er irgendein Mädchen zusammenschlug.
»Sie bleiben hier«, befahl der Maresciallo dem jungen Carabiniere auf dem Rücksitz.
Doch noch ehe sie Zeit hatten auszusteigen, öffnete sich gegenüber erneut die Haustür, und drei Männer und ein Mädchen stiegen in einen weißen Mercedes, der mit heulendem Motor losfuhr und erst links und dann rechts ein geparktes Auto streifte, bevor er an Tempo gewann und Richtung Porta Romana davonbrauste, der Stadtgrenze entgegen. Die beiden knallten ihre Türen wieder zu und nahmen die Verfolgung auf, während der zurückgebliebene Renzi hinter ihnen herbrüllte.
Der Maresciallo verständigte die Verstärkung. »Wenn sie erst auf der Autobahn sind, können wir nicht mehr mithalten – die haben nicht nur mehr PS als wir, sie fahren auch wie die Henker.« Den Kleinwagen, in dem sie unterwegs waren, hatten sie gewählt, weil er unauffällig war, selbst in den engsten Gassen durchkam und wenig Parkraum beanspruchte.
Wie der Maresciallo befürchtet hatte, bog der weiße Mercedes von dem Kreisel an der Porta Romana auf die Straße nach Siena ab. Beim nächsten Kreisverkehr würden Pictri und seine Leute die Autobahn erreichen, und dann konnten sie richtig aufs Gas treten.
Das Verstärkungsteam erreichte die Via dei Serragli zeitgleich mit dem Ende der Spätvorstellung. In einer so schmalen Gasse genügte ein einziges eingekeiltes Auto, das sich mühsam aus seiner Parklücke herausarbeiten mußte, und die hupende Blechlawine staute sich bis hinunter zum Fluß. Falls dann ausgerechnet noch ein Bus an der Kreuzung zur Via Sant’Agostino den Weg versperrte, war im Nu das ganze Viertel verstopft. Genau das passierte jetzt. Sämtliche Fahrer hupten wie wild, bis auf die beiden Carabinieri in dem Streifenwagen, von denen einer ausstieg und zu helfen versuchte, indem er ein wuchtiges Motorrad beiseite schob. Sein Kollege informierte unterdessen den Maresciallo über Funk. »Versuchen Sie Sichtkontakt zu halten. Sobald wir aus diesem Chaos raus sind, haben wir euch in Sekunden eingeholt.«
Falls die Albaner die Autobahn nahmen, würde das Unterstützungsfahrzeug wenigstens keine Schwierigkeiten haben, sie vor der nächsten Abfahrt einzuholen, selbst wenn es dem Maresciallo und Lorenzini nicht gelang, auf Sichtweite an dem Mercedes dranzubleiben. Aber über eine gute Strecke schafften sie auch das. Und auf der dunklen, leeren Autobahn waren die Rücklichter des weißen Mercedes weithin sichtbar.
Der junge Carabiniere, ein Wehrdienstler, beugte sich zwischen ihnen nach vorn und fragte: »Was ist los? Wo wollen die hin?«
Lorenzini antwortete nicht. »Komm schon, komm schon, Eins Eins Sieben… Verflixt, er hört mich nicht mehr…«
Der Maresciallo schwieg. Er wußte, was das zu bedeuten hatte. Er wußte auch, daß sie das alles hätten verhindern können, wenn sie nur mit einem regulären Einsatzfahrzeug unterwegs gewesen wären. So aber konnten sie nur versuchen, weiter Sichtkontakt zu halten, doch lange würden sie das nicht mehr schaffen. Ihre einzige Hoffnung war das Unterstützungsfahrzeug.
»Maresciallo? Wo sind die…«
»Schalten Sie das Fernlicht ein und halten Sie voll drauf.«
»Was…? Sind Sie sicher? Und wenn er uns einfach abhaut? Wir könnten nie…«
»Die Scheinwerfer an! Können Sie nicht schneller fahren? Eins Eins Sieben! Eins Eins Sieben! Wo steckt ihr?«
»Kommen grade auf die Autobahn. Sind gleich bei euch…«
»Überholt uns! Zielfahrzeug ist ein weißer Mercedes. Und schaltet gefälligst das Blaulicht ein.« Der Maresciallo spähte angestrengt nach vorn.
»Ich dachte, wir sollten uns nicht zu erkennen geben?« fragte Lorenzini verwirrt. »Und was hat das Mädchen damit zu tun?«
»Lek macht den Zuhälter für Ilirs Mädchen, solange der im Gefängnis sitzt. Wenn es sich so verhält, wie ich denke, dann ist das Mädchen eine Freundin von Dori, ein Neuankömmling. Er würde sich nicht mit Kobis Bande anlegen – können Sie denn nicht aufholen? Großer Gott, Sie haben ihn verloren!«
»Nein, hab ich nicht. Das ist bloß die Kurve. Er hat nicht viel Vorsprung, und er kann uns nicht sehen…«
»Ich will aber, daß er uns sieht. Wir brauchten einen regulären Einsatzwagen. Wo ist Eins Eins Sieben? Die kommen nicht mehr rechtzeitig.«
»Sie meinen… Ich versuch’s mit Lichthupe – da ist er! Hat einen
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