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Nachtblüten

Nachtblüten

Titel: Nachtblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Mordsvorsprung. Und legt noch einen Zahn zu. Glauben Sie, er hat uns gesehen?«
    Die roten Rücklichter wurden immer schwächer. Aber da das Auto weiß und man auf eine dramatische Wendung vorbereitet war, sahen sie trotzdem, wie jetzt die linke Fondtür aufschwang. Zu spät! Das schwarze Bündel schlug auf dem Boden auf und rollte über die Fahrbahn, während der weiße Mercedes aus ihrem Blickfeld verschwand. Lorenzini trat auf die Bremse. Einen Moment lang konnten sie nichts erkennen, aber der Wagen hielt, ohne daß es den befürchteten dumpfen Aufprall gegeben hätte.
    »Die haben was rausgeworfen, sah aus wie einer von diesen großen schwarzen Müllsäcken…« Die Stimme des jungen Carabiniere zitterte. Man hörte ihn mühsam schlucken. Er wußte, es war kein Müllsack, und wünschte doch, es wäre einer.
    »Steigen Sie aus und stellen Sie das Warndreieck auf. Dann bleiben Sie auf dem Seitenstreifen.« Lorenzini fuhr soweit wie möglich rechts ran. Er hatte die Warnblinkanlage eingeschaltet.
    Das dunkle Bündel hatte ausgerollt. Jetzt konnten sie es deutlich sehen. Es bewegte sich, richtete sich auf und kroch lebendig, auf allen vieren, über die Fahrbahn.
    »Vorsicht! Da, auf der linken Spur!«
    »Das Warndreieck! Jetzt einen Unfall – das hätte uns grade noch gefehlt!« Der Junge rannte mit dem roten Warndreieck nach hinten. Der Maresciallo und Lorenzini stiegen aus und versuchten sich dem Mädchen mit erhobenen Händen bemerkbar zu machen.
    »Bleiben Sie, wo Sie sind! Unglaublich, sie scheint überhaupt nicht verletzt zu sein. Da, sie steht auf…« Lorenzini trat auf die Fahrbahn und schrie: »Halt! Stopp! Nicht bewegen!«
    Sie war offenbar schwarz oder jedenfalls sehr dunkel gekleidet. Man sah nur ihr kleines, weißes Gesicht. Schwankend machte sie einen Schritt auf sie zu.
    »Nein! Los doch, Lorenzini. Halten Sie sie zurück!« Oh, nein, nein… Lorenzini rannte los, aber dann kamen von rechts Scheinwerfer auf ihn zu, und er blieb stehen. Auch auf der linken Spur blendete ein Wagen auf, ein Blaulicht zuckte, eine Sirene gellte.
    Mit warnend erhobenem Arm zeichnete sich Lorenzinis Silhouette im Scheinwerferkegel des Wagens ab, der von rechts auf sie zugerast kam. Der Maresciallo starrte wie gebannt auf das Gesicht des Mädchens, als könne er es durch schiere Willensübertragung zwingen zu reagieren, und wußte doch, daß es sinnlos war, sah sie wie betäubt dastehen, wußte, was passieren würde. Sie taumelte ihm entgegen, und er blickte in ein Kindergesicht. Sie schien etwas zu sagen, aber die Sirene, die sich von links näherte, übertönte ihre Stimme. In den Sekunden, bevor der von rechts kommende Wagen sie erfaßte, trafen sich ihre Blicke, sie streckte die Hand nach ihm aus und lächelte.
    Sie wirbelte durch die Luft wie ein Dummy in einem Actionfilm und plumpste dann auf die Fahrbahn nieder. Die Bremsen quietschten, der Wagen überrollte sie mit einem dumpfen Knirschen und kam zum Stehen.
    Unmittelbar nach einer Katastrophe hat man immer für einen scheinbar endlosen Moment das Gefühl, die Welt ringsum würde den Atem anhalten. An der Oberfläche des Lebens hat sich ein Spalt auf getan, der einige von uns verschlingen wird und mit dem die übrigen sich arrangieren müssen. Aber erst kommt diese lähmende Pause, der Schock. Dann weicht, sofern es sich um einen Verkehrsunfall handelt, die unerträgliche Stille schallenden Kommandorufen, betroffenem Gemurmel oder Panikschreien. Fenster fliegen auf, Menschen strömen zusammen, die zuständigen Uniformen werden herbeigerufen, schwarze und weiße. Die entsprechenden Geräusche ertönen, Sirenen, Bremsen, das Klappern der Tragen, die aus den Rettungswagen heruntergelassen werden. Darauf folgt wieder ein Moment der Stille, spannungsgeladen diesmal, während man die Toten oder Verletzten abtransportiert; und endlich setzt die monotone Routine ein, werden Kennzeichen notiert und Spuren vermessen. Bis auf ein paar ganz Unentwegte kehren die Schaulustigen zurück in ihre Häuser, an den Arbeitsplatz, zu ihren unterbrochenen Gesprächen. Die Unbeteiligten, die Ahnungslosen, drängen nach, verlangen, daß es endlich weitergeht, hupen zornig gegen die unerklärliche, irritierende Verzögerung an. Die letzte Szene ist kurz und ernüchternd. Irgend jemand schwappt Sand oder Seifenwasser über eine Blutlache, beschädigte Fahrzeuge werden abgeschleppt, und die Verkehrslage normalisiert sich wieder, während das Leben den Vorfall absorbiert und weitergeht.
    Aber

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