Nachtblüten
und dann konnten die drei sich über ihn als Mittelsmann abstimmen. Sahen sie diese Gefahr denn nicht?
»Sie haben natürlich recht«, begann der Staatsanwalt und hielt inne, um ein Zigarillo aus der Brusttasche zu ziehen. Aber dann fing er Maestrangelos Blick auf und steckte es wieder ein, wohl mit Rücksicht auf das blitzende Parkett, die eleganten Teppiche, den glänzenden Gummibaum, die staubfreie Luft, alles so ganz anders als in seinem Büro. »Die beiden müssen unbedingt getrennt bleiben. Aber machbar ist das nur, wenn ich sie in Haft behalte – die Beweislage reicht dafür aus – und ihn freilasse.«
»Dann schickt er ihnen einen Anwalt.«
»Ja. Sie haben ja recht. Er wird ihnen einen Anwalt besorgen. Aber dann liefern Sie mir die Beweise für einen Haftbefehl, andernfalls kann ich Ihnen nur einen Durchsuchungsbeschluß ausstellen. Woher wissen Sie überhaupt, daß die beiden in der Wohnung nicht gefunden haben, was sie suchten? Daß es nicht doch bei Rinaldi ist?«
Warum vertaten die Leute soviel Zeit mit Reden? Was nutzte es, mit Worten nach dem Warum und Wieso zu suchen? Das konnte man später im Gerichtssaal nachholen. Fürs Disputieren waren die Anwälte zuständig. Hoffnungsvoll blickte er Capitano Maestrangelo an. Der Chef mußte ihn gehen, mußte ihn gewähren lassen. Die beiden waren nicht zum ersten Mal in Haft, sie waren Autodiebe und wahrscheinlich auch für jeden lukrativen Betrug zu haben, doch sie waren keine Auftragskiller. Und darüber dachten sie jetzt nach, dort unten in der klaustrophobischen Hitze, jeder für sich in einer Zelle, so daß sie sich nicht einmal miteinander absprechen konnten. Für die Blutspuren war er zu spät gekommen, er durfte jetzt nicht noch mehr Zeit verlieren.
Der Maresciallo schob sich zur Tür, murmelte irgendeine Entschuldigung und beobachtete ihre Gesichter. Sie ließen ihn gehen.
»Ich hab das Gefühl, ich sollte diese Vollmacht ausstellen. Was meinen Sie?«
Das war die Stimme des Staatsanwalts hinter ihm. Meinte er den Durchsuchungsbeschluß? Nein, nein… damit war ihm überhaupt nicht geholfen. Die beiden Männer unten in den Arrestzellen würden ihm sagen, was er wissen mußte. Ein paar Stunden allein mit dem kahlgeschorenen Schwergewicht. Ein paar Stunden, in denen man sich wahrscheinlich die meiste Zeit anschweigen würde. Und dann der Schwächere. Falaschi mit dem fettigen Pferdeschwanz. Seine Stimme hatte die halbherzige Drohung ausgesprochen, die der Maresciallo vor Rinaldis Tür mitangehört hatte. Dann sind Sie mit dran.
Seine Mutter, das war der Schlüssel! »Ich habe nur noch ihn. Wie soll ich hier allein zurechtkommen?« Falaschi mußte vor dem Gefängnis bewahrt werden, und der Maresciallo würde ihn retten. Es dauerte kaum mehr als anderthalb Stunden. Während Giusti, dessen kahler Schädel sogar im trüben künstlichen Licht der fensterlosen Zelle noch glänzte, gegen den schwächeren Falaschi ausgespielt werden konnte, war die beste Waffe gegen Giusti der immer noch auf freiem Fuß befindliche Rinaldi. Der Maresciallo hatte alles erfahren, was die beiden wußten, und kam rechtzeitig und mit gesundem Appetit zum Essen nach Hause.
»Heute scheinst du aber mit dir zufrieden zu sein«, sagte Teresa.
»Ja.«
»Na und? Oder ist es geheim?«
»Nein, nein… Nur eine Sache, die mir ein bißchen Sorge machte und nun doch gut ausgegangen ist. Muß es pasta corta sein? Darauf habe ich heute gar keine Lust.«
Teresa schraubte das Nudelglas wieder zu und nahm eine Packung Spaghetti aus dem Schrank. »Ich nehme an, du wirst es mir irgendwann erzählen.«
»Was?«
»Wahrscheinlich mitten in einem spannenden Fernsehfilm.«
»Was für ein Film?«
»Salva, du stehst schon wieder mitten in der Küche.«
Er hielt sie in der Bewegung auf und umarmte sie. Dann fiel ihm ein, was sie gerade gesagt hatte, und er schaltete den kleinen Küchenfernseher ein, wo im dritten Programm gleich die Zwei-Uhr-Nachrichten kamen.
»Jungs! Zu Tisch!« Teresa gab die Spaghetti ins kochende Wasser.
»Und stellt diese Höllenmaschine ab!« ergänzte der Maresciallo, während er am Lautstärkeregler des Fernsehers drehte. Die Rossis hatten Spaghetti gegessen und die Nachrichten im Zweiten gesehen, als er auf dem Heimweg bei ihnen vorbeigeschaut hatte. Der Stuhl zwischen ihnen war zurückgeschoben, der Teller nur zur Hälfte leer.
»Sie schämt sich so. Obwohl wir uns alle Mühe gegeben haben, ihr zu erklären, daß das, was sie getan hat, nur ein dummer Streich
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