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Nachtblüten

Nachtblüten

Titel: Nachtblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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einmal mit dem Capitano sprechen. Ich rufe ihn gleich an…. Nein, nein, vielleicht muß ich noch mal rüber zu ihm…. Du weißt doch, daß er nie vor halb zehn oder zehn aus dem Büro geht…. Hast recht, er sollte…«
    Es war auffallend ruhig drüben in Borgognissanti. Als der Maresciallo die Steintreppe im Präsidium hinaufstieg, kam jemand aus der Einsatzzentrale, und durch die offene Glastür hinter ihm drang ein leises Summen, wie aus einem friedlichen Bienenstock, ins Treppenhaus. Dann fiel die Tür zu, und alles war wieder still. Im Obergeschoß war der Maresciallo ganz allein auf dem Korridor. Durch die Fenster zu seiner Linken sah er über den Kreuzgang hinweg in einen erleuchteten Gymnastikraum, wo vier junge Burschen in weißen T-Shirts Tischtennis spielten. Dabei war es bestimmt selbst um die Zeit noch zu heiß für diese Hopserei. Der Maresciallo blieb neben einem hohen Gummibaum stehen und klopfte an eine helle Eichentür unter einem steinernen Bogen. Eine Mönchszelle war wahrhaftig der passende Rahmen für den Capitano. Es ärgerte den Maresciallo immer ein bißchen, wenn Teresa sagte, er sei ein so gutaussehender Mann, aber abgesehen davon, schätzte sie ihn durchaus richtig ein. Er würde es noch bis zum General bringen, keine Frage, trotzdem sollte er sich hin und wieder ein wenig amüsieren und das Lächeln nicht ganz verlernen. Sogar der Staatsanwalt hatte schon darauf angespielt.
    »Herein!« Auch jetzt lächelte Maestrangelo nicht. Aber er war immerhin da, oder? Wie er immer da war, wenn man ihn brauchte. Verläßlich wie ein Fels in der Brandung, gewissenhaft, seriös, ein guter Mann. »Ah, Guarnaccia… grade habe ich an Sie gedacht.« Und aus unerfindlichem Grund erhellte sich sein düsteres Gesicht für den Bruchteil einer Sekunde, als ob die Sonne durch eine Wolkenbank bräche, und er lächelte.
    Der Maresciallo saß immer noch unbeweglich, die Hände auf die Knie gestützt, auf seinem Platz und wartete darauf, daß Maestrangelo die Welt wieder in Ordnung brächte. Womöglich hätte er den Capitano nicht so einfach überfallen sollen, aber am Telefon konnte man nicht sehen, was die Leute wirklich meinten.
    »Ich denke, Sie sind da ein bißchen überängstlich, Guarnaccia.«
    »Meinen Sie? Das habe ich mir auch schon gesagt, aber ich hielt es doch für das beste, Ihnen die Sache vorzutragen. Sir Christopher ist schließlich ein prominenter ausländischer Mitbürger. Wenn dieser junge Mann recht hat und L’Uliveto im August tatsächlich überfallen wird, nachdem wir vor kurzem erst wegen dieser Kinkerlitzchen oben waren und obwohl der junge Mann uns eigens gewarnt hat… Was ich meine, ist, wenn jemand Sir Christopher hinters Licht führen will…«
    »Dann treiben diese Leute ihr Spiel auch mit uns?«
    »Ja, genau. Ich muß sagen, ich fand die ganze Geschichte schon etwas merkwürdig.«
    »Und dieser Porteous hat Ihnen nicht gefallen.«
    »Nein, nein… das will ich nicht sagen. Es geht nicht darum… Doch, Sie haben recht. Ich mochte ihn nicht. Aber das ist nur eine Seite der Medaille. Hinzu kommt, daß ich das Gefühl habe… also im Fall Hirsch…«
    »Ja, ich weiß, der Staatsanwalt ist sehr zufrieden damit, wie Sie die Ermittlungen führen.«
    »Das ist sehr freundlich von ihm, aber ich glaube, er weiß nicht, daß ich einen schweren Fehler gemacht habe, indem ich nicht früher zu ihr gegangen bin, und ich möchte den gleichen Fehler nicht noch einmal machen.« Der Maresciallo rieb sich das Kinn. Er war müde und hungrig. Er sollte nicht hier sitzen. Was konnte er schon erreichen?
    »Sie glauben doch nicht im Ernst, daß Sie die Dinge hätten aufhalten können, wenn Sie die Frau besucht und noch einmal mit ihr gesprochen hätten?«
    »Nein, natürlich nicht. Das habe ich mir selbst auch schon gesagt. Und doch – vielleicht hätte es etwas geändert. Rinaldi steckt da mit drin. Wenn er mich zu ihr hätte hinaufgehen sehen, wäre er vielleicht vor dem Risiko zurückgeschreckt. Nein, nein… Sie haben recht. Trotzdem, in letzter Zeit komme ich entweder zu spät, oder ich treffe die falsche Entscheidung. Nehmen Sie nur die Sache mit dem albanischen Mädchen, das war eine böse Fehleinschätzung. Wenn ich…«
    »Wenn Sie das Richtige getan hätten, was immer das Ihrer Meinung nach auch sei, dann wäre das ganze albanische Problem über Nacht vom Tisch gewesen – meinen Sie das? Wie geht’s übrigens dem Mädchen?«
    »Sie ist noch einmal operiert worden. Und Rinaldi? Hat er

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