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Nachtblüten

Nachtblüten

Titel: Nachtblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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regnete immer noch. Der Maresciallo stand vor dem Salon unter dem schützenden Terrassendach und wartete. Wenn er, statt hinauf in den nebelverhangenen, trügerischen Himmel zu spähen, die Blätter der Kletterrosen und der Glyzinien beobachtete, die sein Blickfeld einrahmten, dann, so hatte er festgestellt, konnte er sie zittern sehen, wann immer ein winziger Regentropfen auf sie niederfiel.
    Eine Aufgabe für die Carabinieri. Eine, die einen ernstlich in Bedrängnis bringen konnte, wenn man sie nicht gründlich anging, und wenn man sie gründlich anging, erst recht.
    Nun, der Fall fiel nicht in seine Verantwortung, und Capitano Maestrangelo war genau der richtige dafür. »Aufgrund eingegangener Informationen sehen wir uns genötigt, in Anbetracht der exponierten Stellung des Verstorbenen alle gebotenen Untersuchungen einzuleiten, um die Umstände seines Todes zweifelsfrei zu klären.« Eine MSU-Ermittlung – Mord, Suizid oder Unfall, aber das führte er nicht eigens aus –, reine Routine, mit der Bitte um Verständnis an alle Beteiligten. Genau der richtige Mann für diese heikle Aufgabe. Der Maresciallo hätte eigentlich gar nicht mitzukommen brauchen. Als er nach dem Mittagessen auf den Capitano wartete, der ihn abholen wollte, war ein Anruf vom Büro des Staatsanwalts gekommen. Rinaldi war ausgegangen, und eine Zivilstreife hatte ihn bis zur Via Petrarca verfolgt.
    Der Staatsanwalt war selber an den Apparat gekommen, als der Maresciallo sein Problem darlegte.
    »Machen Sie sich keine Sorgen. Mir ist es ohnehin lieber, wenn wir ihn weiter an der langen Leine lassen. Melden Sie sich, sobald Sie zurück sind. Dann sage ich Ihnen, wo er hingegangen ist.«
    Oben in der Villa hatte der junge Gärtner, der jetzt im August auch als Pförtner tätig war, ihnen das Tor geöffnet.
    Mit seiner gedämpften Stimme hatte er gesagt: »Ist ein ganz schöner Auftrieb da drinnen. Ich bin froh, daß Sie da sind. Ich dachte, sie würden wenigstens soviel Anstand besitzen zu warten, bis er tot ist – aber beim letzten Mal, als sein Vater im Krankenhaus lag, hatten sie ja auch keine Skrupel, also hätte ich mich wohl nicht zu wundern brauchen.«
    Diesmal war es der Maresciallo, der sagte: »Ich denke, wir sollten uns mal unterhalten – aber später.«
    »Sie brauchen nur zu rufen. Die haben mich angewiesen, die Limonaia wieder zu öffnen. Halten scheint’s gar nichts von Pietät. Sie haben ihm doch nichts angetan, oder?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich werde oben anrufen und Sie anmelden. Gehen Sie beim Haupteingang rein. Dienstboten sind zur Zeit keine da. Aber Sie sollten sich beeilen, es ist schon wieder ein Gewitter im Anzug.« Und wirklich grollte der Donner über den Bergen, und von Westen her blies ein heißer, feuchter Wind. Als sie vor der Villa aus dem Wagen stiegen, war es fast finster.
    Sie standen in der Halle mit dem Mosaikfußboden und dem verstaubten Springbrunnen, als mit einem ohrenbetäubenden Donnerknall das Gewitter losbrach und ein Wolkenbruch herniederprasselte. Trotz der Dunkelheit war es nicht schwer, sich zurechtzufinden. Es waren vielleicht keine Dienstboten im Haus, aber der einzige Lichtschein kam von einer Tür zur Rechten, aus dem Raum, in dem der Maresciallo einen weinenden Jungen gesehen hatte und Porteous’ Hand, die mit langsamen Bewegungen seine Schulter massierte.
    Männerstimmen drangen durch die halboffene Tür, laute, autoritätsgewohnte und selbstbewußte Stimmen. Der Capitano bat um Erlaubnis, eintreten zu dürfen, und der Maresciallo folgte ihm, hielt sich aber ein, zwei Schritte hinter seinem Vorgesetzten.
    Man hörte den Regen gegen die hohen Fenster prasseln, als die Männer im Raum verstummten. Die Vertreter des Finanzamts und die Abgesandten des Ministeriums für Kunst und Denkmalschutz verharrten in fragendem, der schmächtige blonde Jüngling, der etwas abseits stand, in ängstlichem Schweigen. Aber weder der Capitano noch der Maresciallo beachteten diese Leute. Ihre Aufmerksamkeit galt den drei Männern im Zentrum der Gruppe, um die eine Art elektrischer Spannung zu knistern schien. Porteous und der smarte junge Anwalt sahen ihnen wachsam, aber selbstsicher entgegen, Rinaldi maß sie mit trotzigem Blick. Er hatte Zeit gehabt, sich zu sammeln, während sie vom Pförtnerhaus die Auffahrt heraufkamen, aber sein Gesicht war gerötet.
    »Guten Tag, Signor Rinaldi«, sagte der Capitano.
    »Meine Herren…«
    Mehr oder minder geistesgegenwärtig rang sich jeder von ihnen einen

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