Nachtbrenner
– er war ihr hingebungsvoller Bewunderer.
Die Kugel flog auf einem silbernen »Schwusch« auf ihn zu. Er hörte den Einschlag, doch der Schmerz blieb aus. Blut lief warm an der Innenseite seiner Schenkel hinab, und sein Kopf fühlte sich seltsam leicht an. Er überlegte, ob es von dem Blutverlust kam. Doch plötzlich wusste er, was es war – das Gewicht der Sensor-Kontakte fehlte.
Die Frau beobachtete ihn. Und als sich ihre Blicke trafen, grinste sie. Da erkannte er seinen Irrtum: sie war Mallory und sie war in die wirkliche Welt gekommen, um mit ihm zusammen zu sein – für immer.
Callista
Sein Name war Harry Delmonte, doch das wusste ich damals noch nicht, und er benahm sich eigentlich wie ein Tourist. Nur an seinem Gang war etwas anders, und damit meine ich nicht dieses bedächtige Schlurfen, mit dem sich die Neuankömmlinge in der für sie ungewohnten Mars-Gravitation bewegten, sondern seine Haltung. Weder schlenderte er ziellos, obwohl er sich den Anschein gab, noch war da diese Unsicherheit, wie sie Viele an einem ihnen fremden Ort zeigen. Auch die zur Schau gestellte Großspurigkeit, die einigen neureichen Off-World-Besuchern zueigen ist, fehlte. Seine Kleidung war unauffällig und ließ keine Rückschlüsse auf seine Herkunft zu. Ich wusste, er war vor vier Stunden mit einem Linien-Raumer aus dem Gürtel gekommen, das war schon alles. Meine Auftraggeber hatten sich bedeckt gehalten, was seinen Hintergrund und den Grund seiner Reise anbelangte. Aber das taten sie eigentlich immer. Ich sollte ihm folgen und dann berichten, was er so trieb, wohin er ging, mit wem er sich traf. Eine ganz alltägliche Observierung. Kein Problem, sie hatten für zwei Sol bezahlt, und ich würde zwei Sol für sie arbeiten. Eine einfache Transaktion, so dachte ich. Eigentlich waren Observationen nicht mein übliches Geschäft, aber zwischen zwei Aufträgen – warum nicht. Und der Auftrag sah einfach aus. Zu einfach, wie ich schnell genug feststellen sollte.
Denn jetzt lag meine Zielperson in einer Seitengasse der Altstadt, nur wenige Schritte entfernt von dem lauten Gedränge auf dem Bradbury Boulevard, und war offensichtlich tot. Verdammt. Das meinen Auftraggebern zu erklären, dürfte ziemlich schwierig werden. Was ich jetzt brauchte, war ein guter Plan und ein paar noch bessere Ausreden.
Ich hatte Harry Delmonte nicht gekannt und nie auch nur ein Wort mit gewechselt, daher konnte mir sein unerwartetes Ableben auch egal sein. Aber mein Geschäft waren lebende Menschen. Tote bedeuteten in der Regel, dass ich versagt hatte. Wer – wie ich – auf Empfehlungen angewiesen war, um im Geschäft zu bleiben, konnte keinen Ärger gebrauchen. Und dieser Bursche sah auch im Tod noch nach sehr viel Ärger aus.
Min’err Delmonte sollte in den frühen Morgenstunden ankommen. Um diese Jahreszeit landeten nicht viele Passagier-Raumer auf dem Mars. Es sollte also kein Problem sein, ihn unter den Ankommenden ausfindig zu machen. Da ich nicht auffallen wollte, wartete ich außerhalb der Abfertigung, was auf den zweiten Blick keine so gute Idee war, denn wie immer um diese Jahreszeit, lagen die Außentemperaturen tief im Minusbereich und die Luft war dünn. Ich zog mir die Maske vors Gesicht und drehte den Breezer auf Stufe 1.
Ich hatte mich auf eine längere Wartezeit eingestellt. Für gewöhnlich nahm die Biokontrolle alle Reisenden und ihr Gepäck gründlich auseinander, damit der Planet nicht kontaminiert wurde. Natürlich war das Unsinn. Es hielt die Schmuggler nicht davon ab, Fremd-DNA einzuführen, und die Touristen, die den Planeten besuchten, hielten sich für gewöhnlich in den Kuppeln auf oder fuhren in abgeschotteten Rovern mit eigenem Luftsystem auf „Marsfari“.
Seit dem Embargo hatten die Schmuggler allerdings Konjunktur, und in jüngster Zeit spannten sie auch ahnungslose Vergnügungsreisende für ihre Zwecke ein. Mich kümmerte das alles nicht. Erst, wenn es darum ging, einen Kautionsflüchtigen wieder einzufangen, war ich zur Stelle: Callista Starbuck, die beste Kopfgeldjägerin in Shiaparelli City. Doch für die nächsten zwei Marstage hatte ich meinen Job gegen den der unsichtbaren Beobachterin getauscht.
Ich warf gerade noch mal einen Blick auf die Folie mit dem kleinen Qickmovie, dass mir meine Auftraggeber geschickt hatten, als ich plötzlich heftig von hinten angerempelt wurde. Ich taumelte, schaffte es aber, auf den Beinen zu bleiben. Verdammte Touristen.
Ich wirbelte herum, blaffte: »Hey, pass doch auf,
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