Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtbrenner

Nachtbrenner

Titel: Nachtbrenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Çakan
Vom Netzwerk:
bis ich mich zu den Türen durchgekämpft hatte, war er bereits im Getümmel verschwunden. Doch diesmal ahnte ich, wohin er gehen würde.

    Ich sah ihn kurze Zeit später, wie er einen der vielen Ausstatter verließ, die den Bradbury Boulevard säumten. Und ganz wie ich vermutete, hatte er sich einen Breezer gekauft. Im Umkehrschluss bedeutete dies aber auch, dass Min’err Delmonte sich nicht auf den üblichen Touristenpfaden bewegen wollte. Interessant.
    Als nächstes betrat er eine kleine Garküche, und ich sah durch die sich langsam schließende Schleuse, dass er sich weiter hinten einen Platz suchte, von dem aus er alles überschauen konnte. Anscheinend wollte er sich mit jemandem treffen. Doch wenn ich draußen blieb und auf die inzwischen geschlossene Tür starrte, würde ich vermutlich nie erfahren, mit wem.
    Ich verschwand kurz in einer kleinen Gasse, wendete meine Thermojacke, setzte die Kappe ab und zog aus den Tiefen meiner diversen Innentaschen ein quietschbuntes Barett. So verkleidet war ich bereit, meinem Zielobjekt zu begegnen. Das Beste hoffend, aktivierte ich die Schleuse und trat ein.
    In Touristenführern werden solche Garküchen gerne als besonders authentisch und typisch für Schiaparelli City angepriesen. Das war natürlich Unsinn. Die Betreiber freuten sich über das Geld, das die Touristen brachten, aber die Einheimischen ärgerten sich über die immer höher werden Preise für ein einfaches Essen. Dabei sollte eigentlich alles besser werden. Jetzt, wo in Syrtis Major die ersten unabhängigen Soja-Ernten eingebracht wurden und Mars nicht mehr länger auf die Lieferungen der Rhizobium-Symbionten von der Erde angewiesen war.
    Delmonte saß genau an dem Tisch, den ich mir auch ausgesucht hätte. Vor ihm stand eine große Schale, deren dampfenden Inhalt er löffelte. Als ich den Laden betrat, hob er nur kurz den Kopf, seine Blicke streiften mich beiläufig. Dann aß er weiter. Mir entging aber weder seine wachsame Haltung noch seine Hand, die den Griff des kleinen Koffers festhielt. Sollte hier eine Übergabe stattfinden?
    Er schien keine Eile zu haben, denn als er die leere Schüssel auf der Tischplatte von sich schob, ließ er sich von der Bedienung noch einen Becher mit einem Heißen bringen. Dabei scherzte er mit der jungen Kellnerin fast so, als wäre er Stammgast in dem Lokal.
    Damit ich nicht auffiel, bestellte ich mir auch ein Getränk. Dann ging ich zur Theke und lud mir den Mars-Morgen auf die Folie. Zurück an meinem Tisch tat ich so, als würde ich lesen. Ab und zu warf ich einen kurzen Blick zu Min’err Delmonte, der völlig entspannt seinen Heißen schürfte. Allmählich bekam ich Zweifel. Wartete er wirklich auf jemanden?
    Und fast so, als hätte er meine Gedanken gehört, stand er auf, nickte der Bedienung freundlich zu und verschwand durch die Schleuse. Ich sprang auf und folgte ihm.
    Er ging nur wenige Meter vor mir den Bradbury Boulevard entlang in Richtung der »Plaza der Monde«. Dies war ein beliebtes Touristenziel, weil man von dort einen guten Blick auf die Sandbauten der Ersten hatte. Dementsprechend drängten sich dort stets viele Menschen und Nicht-Menschen. Wenn ich eine Übergabe in aller Öffentlichkeit vorhätte, wäre dies auch der Ort meiner Wahl.
    Ich sah, wie Delmonte in regelmäßigen Abständen einen Blick in die Auslagen der Souvenirbuden und Marsfari-Ausstatter warf. Dabei war ich mir ziemlich sicher, dass er nur in den Reflektionen der Scheiben nach Verfolgern Ausschau hielt. Ich hätte es jedenfalls genauso gemacht. Damit er mich nicht doch noch entdeckte, ließ ich eine Reisegruppe von der Erde vorbeiziehen und mischte mich unter die Nachzügler. Noch weiter zurückzubleiben, war mir zu riskant. Je näher man der Plaza kam, desto unüberschaubarer wurde der Boulevard.
    Delmonte ging jetzt ungefähr hundert Meter vor mir. Seine Körpersprache war entspannt, seine Schritte leicht federnd. Er schien keine Probleme zu haben, sich auf neue Gravitationsverhältnisse einzustellen. Wider Erwarten merkte ich, dass ich mich für ihn zu interessieren begann, was mich etwas irritierte, denn für gewöhnlich war es mir ziemlich egal, wer meine Zielobjekte waren. Und was diesen Harry Delmonte anbelangte, hatten sich meine Auftraggeber klar und deutlich ausgedrückt: observieren und berichten, mehr nicht. Vielleicht war es genau das, was meine Neugierde weckt, diese anscheinende Sinnlosigkeit der ganzen Aktion. Wer war dieser Min’err Delmonte? Und noch wichtiger, was

Weitere Kostenlose Bücher