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Nachtbrenner

Nachtbrenner

Titel: Nachtbrenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Çakan
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Er stand auf und ging zu der kleinen Vid-Box. Die Blicke der Tussi kribbelten auf seiner Kopfhaut. Es war, als würde sie ihm telepathisch eine Nachricht übermitteln. Auf einmal war die Nacht voller Anzeichen und Verheißungen.
    »Es gibt noch einen Spieler –« er wagte es kaum auszusprechen. »Stimmt doch, oder?«
    »Ich bin nur der Dealer, Mann«. Er klang gelangweilt. »Spielen musst du schon selbst.«
    »Aber verstehst du denn nicht – darum geht es doch. Ich bin nicht alleine in dieser VR.«
    »Na, dann freu dich doch, Mann. Lehn dich zurück und genieß es.«
    »Sag mir wer –« Er merkte, dass er zu einer toten Leitung sprach. Smart-Card, dieser Scheißhaufen von einem VR-Dealer hatte einfach abgehängt.
    Scheiße, Scheiße, Scheiße. Als er zu seinem Platz zurück ging war die Tussi weg. In der Luft hing ein leichter Geruch nach Pfefferminz und – Diesel. Das war’s, das Zeichen. Er war wieder im Spiel. Gut.

    Die »Mickey & Mallory«-VR lud sich noch hoch, als er seinen Reißverschluss aufzog und sein Schwanz ihm regelrecht in die Hand sprang. In die Geilheit mischte sich das Echo dieses unglaublichen Gefühls, das die »Beverly Hills 90210«-VR ihm verschafft hatte.
    Mallory lehnte an der Kühlerhaube des alten Dodge und riss ein Streichholz an. Er hörte das Knistern des brennenden Schwefels. Sie senkte die Augen, er folgte ihrem Blick und sah die Benzinlache zu seinen Füßen. Sie grinste und schnippte das Streichholz durch die Luft. Das Spiel begann.
    Kevin klinkte sich aus der VR aus, bevor die Flamme den Boden berührte und – ging sofort wieder rein.
    »Ich zahl’s dir heim, du blöde Nutte«, brüllte er, und diesmal war er schneller. Er hielt sich nicht weiter auf und packte sie und warf sie auf die Kühlerhaube des Dodge. Sein Ding war so hart, dass es wehtat. Flammen schlugen hoch und hüllten ihn ein. Das Miststück hatte mit dem brennenden Streichholz auf ihn gewartet. Er hörte das Brutzeln seines eigenen Fleisches, noch ehe ihn der Schmerz erreichte.

    »Wo ist sie?«
    »Ganz ruhig, Mann.« Alfred sah ihn beunruhigt an.
    »Wo ist sie?« Kevin brüllte jetzt.
    »Wer?«
    »Die verdammte Nutte, die mich abfackeln wollte!« Kevin hatte den Brandgeruch immer noch in der Nase, seine Haut juckte. Klar, das war alles nur Einbildung. Aber das sollte mal jemand seinem Magen erzählen.
    »Ich mach gerade dicht, Mann. Guck dich doch mal um, hier ist keiner mehr.«
    Kevin starrte auf den Wischlappen auf der Theke und zurück zu Alfred. War das aus »Cops unter Druck«? Die Realität um ihn herum zerfiel in kleine Fragmente anderer Wirklichkeiten. Vorsichtig, damit er nichts von den kleinen Dingern zerbrach, tastete er sich zur Tür.
    »Blöder VR-Junkie. Ihr seid doch alle gleich – krank, krank, krank.«
    Kevin hatte sein Gejammer schon längst ausgeblendet. Er war immer noch im Spiel. Sie war da draußen, irgendwo, und wartete auf ihn. Wartete, dass er die letzte Spielebene erreichte. »Wir sind noch nicht fertig, Arschloch«, hatte sie gesagt.

    Die Straße sah aus wie aus einem Brian-DePalma-Film. Auf dem Asphalt glitzerte eine metallic-blaue Nässeschicht, die flackernde Neonreklame warf spastische Lichtkaskaden auf die Brandmauer im Hinterhof. Irgendjemand hatte dort das ausgebrannte Wrack eines Porsche abgeladen. In einer anderen Realität war er zusammen mit einem Stapel Euronorm-Paletten in Flammen aufgegangen.
    Sie trat aus dem Schatten, wie ein zweidimensionaler Scherenschnitt, der die Grenzen zu einer neuen Realität überschritt, wie ein verführerischer Todesengel in schwarzes Leder geschweißt, wie ein Wesen aus der Geisterwelt. Für Kevin sah sie aus wie der Fick des Jahrhunderts. Und er wusste, endlich war er angekommen. Dies war die letzte Spielebene, der ganz große Kick – gefühlsecht.
    Diesmal hatte sie wirre neongrüne Haare, die wie eine Flamme von ihrem Kopf abstanden. Ihre Augen waren schwarz umrandet und ließen sie wie Pris aussehen. In ihrer rechten Hand baumelte lässig eine Achtunddreißiger. Aber Pris war keine Killerin, sie war das Lustmodel. Irgendwas lief hier völlig falsch. Er hatte seine »Bladerunner«-VR vor ein paar Wochen an einen Typen verkauft, der immer bei Alfred rumhing.
    Ihr Kopf war leicht geneigt, fast schien es, als würde sie auf etwas warten. Sie hob leicht den Arm und zielte mit der Waffe zwischen seine Beine. Er sog laut die Luft ein, als er sah, wie sich ihr Finger langsam um den Abzug krümmte. Sie zelebrierte jede ihrer Bewegungen, und er

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