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Nachtbrenner

Nachtbrenner

Titel: Nachtbrenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Çakan
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dem Fenster. Dann zog er seinen Blaumann an – die Wirklichkeit hatte ihn wieder, und sie hatte einen schlechten Start gehabt. Kevin beschloss, erst mal die kleine Mallory zu besuchen. Er holte sich das Multiple-Choice-Menü runter und machte ein paar Änderungen. Diesmal war die kleine Nutte fällig. Sie sollte »ich liebe dich, seit dem Tag an dem wir uns zum ersten Mal trafen«, sagen, und er wollte, dass sie nach Pfefferminz und Diesel roch. Irgendwie machte ihn dieser Geruch unheimlich an.
    Er – sie saßen immer noch in dem sich überschlagenden Wagen, eingefroren in der Zeit, in einen endlosen Moment der Angst. Verzweifelt tastete er nach dem Türgriff, nach den Kontakten. Sein Puls raste, noch nie zuvor war es so »echt« gewesen. Er war schon fast draußen, ahnte es mehr, als er es sah – ihr Kopf drehte sich in seine Richtung, hin zur wirklichen Welt, das silberblonde Haar war auf der Höhe ihrer Backenknochen gekappt und schwang um ihr Gesicht wie ein Schleier aus Flüssigstickstoff. Sie grinste ihn an, ihre Lippen hoben sich leicht, ihre Eckzähne – Scheiße, sie war ein verdammter Vampir!

    »Ich will, dass Sie sich noch heute Nachmittag einem Drogentest unterziehen.« Das war eine Zeile aus »Cops unter Druck«, doch sie kamen aus dem Mund seines arschgesichtigen Bosses.
    »Eh, wieso denn das?« Das war doch auch nur wieder so eine fiese Montagmorgen-Nummer. Statt froh zu sein, dass er noch aufgetaucht war, um diesen Drecks-Job zu machen, nun dies.
    »Weil du nur noch Scheiße baust, Mann. Genügt dir das als Antwort?«
    »Davon steht nichts in meinem Arbeitsvertrag«, maulte Kevin.
    »Ach ja, so ein Pech aber auch.« Sein arschgesichtiger Boss grinste niederträchtig, »dann lauf doch zur Gewerkschaft und heul dich bei denen aus. Aber wenn du morgen noch einen Job haben willst, machst du besser diesen Test, kapiert?«
    Würde sich Mickey diese Scheiße anhören? Nein! Kevin war sauer. »Steck dir deinen verfickten Job doch sonstwo hin, Arschloch«, brüllte er und raste durch die Tür. Mann, das tat richtig gut.
    Als er draußen war, kühlte er erst recht nicht ab. Plötzlich ging ihm auf: kein Job = kein Geld = keine Schwarzmarkt-VR und keine Drogen. Dabei hatte er kürzlich erst von einer verschärften »Baywatch Nights«-Version gehört, und nachdem die »Mickey & Mallory«-VR diese seltsamen Aussetzer hatte –. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Was war das für eine beschissene Welt, wo ein Mann nicht mal mehr seine Meinung sagen konnte?
    War es etwa seine Schuld, dass die Bremsen von dem Scheiß-Stapler kaputt waren? Und war es etwa seine Schuld, dass der Stapel Paletten ins Rutschen gekommen und genau in die Angeber-Karre seines Ex-Bosses geknallt war? Mann, hatte das geil ausgesehen, voll durch die Windschutzscheibe waren die Dinger geknallt.

    Alfred verstand ihn.
    »Die da oben wollen nichts investieren, und wir da unten können’s ausbaden.«
    Alfred nickte. Er stellte Kevin noch ein Bier hin. Nachdenklich nuckelte er an der Flasche. In seinem Hinterkopf nagte ein Gedanke, irgendetwas gab es heute noch für ihn zu tun – für einen taffen Typen wie Mickey. Doch erst musste er ein paar Dinge mit Smart-Card abchecken.
    Der verkratzte Monitor der Vid-Box war ausgeschaltet, und die LED meldete, dass der Anschluss gescannt wurde.
    »Ja?« Der Sprecher ließ durchklingen, dass es besser wichtig sei.
    »Ich muss Smart-Card sprechen.« Er merkte, dass in seiner Stimme der Unterton von Verzweiflung mitklang.
    Auf der anderen Seite herrschte Schweigen.
    »Es geht um das Programm«, versuchte er zu erklären, »da sind so Überlagerungen.«
    »Morgen, ruf morgen wieder an.«
    »Sag mal, du kennst doch Achim?« Eine neue Stimme, die nicht aus dem Hörer kam.
    »Hä?« Kevin blinzelte den Typen an, der auf einmal neben ihm an der Wand lehnte. »Siehst du nicht, dass ich telefoniere?« Er fand, dass er ziemlich überzeugend klang für jemanden, dem das Freizeichen ins Ohr schrillte.
    »– der hat sich diese neue VR geholt und jetzt ist er tot«, redete der Typ einfach weiter.
    »Ach.« Kevin legte eine ordentliche Portion Sarkasmus in seine Stimme und drehte dem Blödmann den Rücken zu. Das Geschwätz des Typen wurde zu Hintergrundrauschen. Kevin wusste jetzt, was ihm dieser nicht greifbare Gedanke den ganzen Abend zu sagen versuchte.

    Die demolierte Karre wurde gerade abgeschleppt. Kevin hörte das Gefluche seinen Ex-Bosses sogar auf der anderen Straßenseite. Er grinste. Der Gedanke manifestierte

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