Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
Richtungen davonrollen. Natürlich haben die anderen Mitspieler dies längst bemerkt und so mancher Chip wandert verstohlen in andere Taschen. Sei es drum. Aber wenn die Bande die Automaten jetzt geknackt hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass es mir gelingt, verschwindend gering. Auch wenn die Casinobetreiber wohl anders argumentieren würden.
Ich wende mich ab und will gerade aufstehen, als die Loren-Barbie auf mich aufmerksam wird und herüberschlawenzelt. Das hat mir gerade noch gefehlt.
„ Sprich mich bloß nicht an“, suggeriere ich ihr in Gedanken, doch wir haben wohl Kommunikationsschwierigkeiten.
„ Kennen wir uns nicht irgendwoher?“, flötet sie und ihr pinker Lipgloss verleiht ihrem Gesicht einen Schmollmund. „Nein, sagen Sie es nicht. Es fällt mir gleich wieder ein.“
„ Vom Weggucken“, möchte ich erwidern, reiße mich aber zusammen. Paul, Celine und Nigel gesellen sich zu uns und plötzlich sehe ich mich von ihnen umringt.
„ Nigel, hilf mir mal“, flötet Loren. „Woher kenne ich sie?“ Nigel betrachtet mich näher und ich bin gewillt sie alle wegzufauchen. Eine Technik, die ich wunderbar beherrsche.
Wer hindert mich eigentlich daran, hier an Bord „wilde Sau“ zu spielen?, schießt es mir durch den Kopf. Ich meine, ich bin mehrere tausend Meilen von der nächsten möglicherweise für mich zuständigen Gerichtsbarkeit entfernt und vielleicht würde es ja keinem auffallen.
Nein, rufe ich mich zur Ordnung. Es würde jemandem auffallen und auch wenn ich hier allein bin, so bin ich doch ungeschützt und verletzlich zur Tageszeit. Also gilt es wieder einmal mich zusammenzureißen und den Moment zu ertragen. Aber es fällt mir verdammt schwer nach all dem, was heute schon passiert ist. Ganz ruhig, Liebes. Lächeln und winken – oder, in meinem Fall, ihnen einfach nicht die Kehle herausreißen.
„ Jetzt habe ich es.“ Lorens Gesichtsausdruck wird triumphierend, während die anderen sie gespannt anschauen. „Sie sind Christa, das scharfe Luder, das Ben letzte Nacht so fertig gemacht hat, nicht wahr?“ Sie strahlt mich an und durch ihre Augen kann ich das Innere ihres kleinen Puppenköpfchens sehen. Viel Widerstand ist da nicht bis zum hinteren Schädelknochen.
Ich räuspere mich. „Wie bitte?“ Mein Lächeln gefriert auf meinen Gesichtszügen.
Desmond ist dazu getreten, überglücklich strahlend und in den Händen einen gefüllten Becher voller Spielchips. „Entschuldigen Sie bitte die Ausdrucksweise, Miss“, beginnt er das Gespräch und legt Loren einen Arm um die Schultern. „Sie zitiert nur das, was Ben uns gesagt hat.“ Wie beruhigend. „Wo ist er eigentlich? Das müssen Sie uns doch sagen können.“ Okay ... für zwei Sekunden bin ich geschmeichelt? Frustriert? Belustigt?
„ Das weiß ich nicht und zu Ihrer Information“, entgegne ich kalt und abweisend, „ich habe einen Namen und ziehe es vor, mit diesem angesprochen zu werden.“ Das muss für den Anfang reichen, bevor wir die intimeren Details klären.
„ Nun haben Sie sich doch nicht so, Schwester“, Antonia und Scott treten zu der Gruppe und damit ist sie wieder komplett. „Wir haben keine Geheimnisse voreinander und wenn Ben sagt, dass sie ihn fertig gemacht haben, dann müssen Sie gewisse Qualitäten besitzen. Er ist nämlich sehr wählerisch.“ Ach, bitte!
„ Na, das beruhigt mich jetzt aber.“ Mein Ton ist schneidend und der Sarkasmus darin nicht zu überhören. Wie Säure brennt er sich in die umstehenden Gesichter und sie rücken ein Stück weit von mir ab. Brav!
„ Schon gut, schon gut“, lässt sich Paul vernehmen und ich fixiere ihn kurz. Vielleicht hat hier ja wenigstens einer halbwegs gute Manieren. „Wir dachten, Sie wären cool drauf und nicht so eine Spießerin.“
Das verschlägt mir den Atem. Eine Spießerin? Ich? Die haben sie ja wohl nicht mehr alle.
Wieder mischt Desmond sich ein. „Immer mit der Ruhe, Jungs“, er sieht Paul dabei durchdringend an. „Ihr wisst doch, was Ben gesagt hat. Wir kennen sie noch nicht und sie uns nicht, also benehmt euch endlich.“ Anscheinend hat der Mann als Einziger Verstand in der ganzen Gruppe.
„ Christa, das ist doch Ihr Name, oder?“, fährt er fort und ich knurre eine Antwort. „Entschuldigen Sie bitte das Benehmen meiner Freunde. Wir sind sonst nicht so, aber es ist Silvester und wir sind hier, um ausgelassen zu feiern. Verstehen Sie?“ Bittend sieht er mich an und ich nicke. „Wir müssen uns einfach besser kennen und
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