Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
„Ihr Nachname“, ergänze ich gönnerhaft, „er ist sicher schön in Ihrer Muttersprache. Aber ich stolpere darüber, falls Ihnen dies noch nicht aufgefallen ist.“ Manchmal sind es die kleinen Dinge, die ...
„ Ganz wie Sie wünschen.“ Nun ist er wieder der steife Anwalt und ich verdrehe die Augen.
„ Herrgott nochmal, was ist bitte so schlimm daran? Ich will Sie ja schließlich nicht heiraten!“, platzt es aus mir heraus.
„ Nicht?“ Er schmunzelt leicht. „Dabei war das doch meine eigentliche Intention.“ Er ist schlagfertig, das muss man ihm lassen.
Ich kontere ebenso kokett: „Gut, dann lassen Sie uns das Kind suchen und dann den Kapitän. Ich bin sicher, dass er eine Trauung vollziehen kann.“
Er lächelt undurchsichtig. „Wir werden sehen.“ Öhm … wie jetzt?
Was auch immer er damit meint, lässt sich nicht ergründen, denn er lässt mich los.
„ Also, wo fangen wir an?“
Abrupt ändere ich das Thema und mache mich von ihm los. Sachlichkeit hilft mir jetzt mehr als alles andere. „Am besten rekonstruieren wir den Abend, bevor sie verschwunden ist, kurz.“
Er nickt und macht sich auf den Weg zum Queens Room. Beschwingt folge ich ihm, die Gedanken ganz woanders.
„ Also, wir haben an diesem Tisch gesessen“, beginnt er und umrundet Selbigen. Er ist mittlerweile wieder makellos gedeckt für neue Gäste und zeigt keinerlei Spuren der vorherigen „Verwüstung“ des Abends. Sagen wir es so: Tischfeuerwerk und diverse andere Scherze hatten ihre Spuren neben den Flecken vom Essen hinterlassen und es würde mich nicht wundern, wenn das Tischtuch völlig ruiniert gewesen wäre.
Aber was soll man auch erwarten, wenn aufgedrehte Paare sich den Abend mit Trinkspielen und dem Versuch, sich gegenseitig blind zu füttern, vertreiben. Einzig um die Untersetzerpyramide tut es mir leid, die wir hinterlassen hatten. Sie hatte sich zu einer erstaunlichen Größe entwickelt. Sei es drum. Wie sie allerdings die Berge an Konfetti und Luftschlangen so schnell beseitigen konnten, ist mir dann doch ein Rätsel.
Der Queens Room hat sich geleert, was in Anbetracht der fortgeschrittenen Morgenstunden und des doch etwas gemäßigteren Publikums keine wirkliche Überraschung ist. Auch die Band hat ihre Zelte gestrichen und die Musik im Raum kommt nun aus dezent angebrachten Lautsprechern.
„ Gut“, ich schlage einen geschäftsmäßigen Ton an. „Wir waren also hier bis Mitternacht und dann sind wir auf Deck 13 gegangen, um das neue Jahr zu begrüßen“, sinniere ich.
„ Richtig.“
„ War sie da noch bei uns?“
Er blickt mich nachdenklich an. „Ja, das war sie. Allerdings hat Fay sich über Kopfschmerzen beklagt und ich brachte sie zurück in ihre Kabine. Genau zu der Zeit, als Ben die private Party ausrief und Sie mit ihm verschwanden.“ Er schafft es doch tatsächlich, einen stillen Vorwurf in seine Stimme zu legen – oder eine unausgesprochene Frage? Allerdings ist beides so hauchzart, dass ich mich auch irren kann.
„ Ben und ich sind einen anderen Weg gegangen, um in die Suite und zur Party zu gelangen“, erkläre ich, seinem Blick nicht ausweichend. … und haben einen Umweg über eine kleine, aber eigentlich gemütliche Kabine auf Deck 10 gemacht. Aber das geht ihn eigentlich nichts an, also bleibt es ungesagt. Außerdem ist da nichts passiert, aber was rechtfertige ich mich hier eigentlich vor mir selbst.
Wie zur Antwort nickt er und fährt fort: „Ich brachte Fay in ihre Suite und dort mit zwei Aspirin zu Bett“, erklärt er, während wir uns auf den Weg zu Deck 3 und dort zum G32 machen. „Es hat eine Weile gedauert, bis sie tatsächlich eingeschlafen ist. Zum Glück sind die Wände der Suiten gut isoliert, denn nebenan tobte unterdessen bereits Bens Privatparty .“ Er kann wunderbar kursiv sprechen. Aber Moment mal, zu diesem Zeitpunkt war Ben doch noch im G32 mit seinen Gefolgsleuten. Entweder hat er einen Denkfehler, oder ich habe einen.
„ Das kann aber nicht sein, Alex.“ Beinahe zuckt er zusammen, als ich seinen Namen ausspreche. „Ben ist erst kurz davor in seine Kabine aufgebrochen.“
Alex runzelt die Stirn. „Sind Sie sicher?“
Ich nicke zuversichtlich. „Sehr sicher.“
„ Das ändert die Lage, aber nur ein wenig.“ Was soll das denn jetzt bitte heißen? „Desmond und ein, zwei weitere Gäste waren schon in der Suite. Ich vermute, um sich aufzuwärmen.“ Er schnaubt abfällig, während ich versuche, mich auf die Details und die genaue
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