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Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myrna E. Murray
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verdrehe die Augen. Also schön, zurück zu den Fakten. „Das Mädchen ist wie alt?“ Tick, Tack ...
    „ 16.“
    Hatte sie das nicht gesagt? Ich kann mich gerade nicht erinnern.
    Genervt gebe ich das Einzige von mir, was mir in diesem Moment als sinnvoll erscheint. „Na also, und es ist Silvester. Sie wird sich also abgesetzt und unter das Volk gemischt haben. In ihrem Alter hätte ich das genauso getan.“ Entgeistert sieht er mich an. Wie jetzt? Das überrascht ihn? Ernsthaft, was erwartet er denn von einer wie mir? Plötzlich langweile ich mich. „Keine Sorge, sie wird schon nicht von Bord gefallen sein.“
    Okay, den letzten Satz hätte ich vielleicht nicht bringen sollen, denn jetzt sieht er erst recht besorgt aus. Ist er wirklich so besorgt? Aus einer Eingebung heraus lasse ich einen Teil meiner Deckung sinken.
    Was ich sehe, erstaunt mich. Er ist tatsächlich so besorgt. Ups. Na, dann bin ich wohl über das Ziel hinausgeschossen. Schnell füge ich daher hinzu: „Das war ein Scherz.“
    Er ist nicht zufrieden mit mir, das kann ich erkennen. Aber was bitte soll ich denn tun? An jede Tür klopfen und hoffen, dass sie nicht dahintersteckt? Er scheint nicht antworten zu wollen – auch gut.
    „ Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen.“ Ich will mich abwenden, doch er greift nach meinem Arm und zieht mich nah an sich heran – sehr nahe. Oh!
    Seine Augen zeigen nun nicht mehr nur das bernsteinfarbene Innere, nein, sie sind grüner denn je. Eine Mischung aus Angst, Wut und Verzweiflung steht nun darin. „Verdammt nochmal, Christa! Das hier ist Ihr Spezialgebiet, nicht meins.“ Hat er mich gerade beim Vornamen genannt? „Sie kennen sich mit Partys, Drogen und Alkohol aus …“ Also wirklich!
    „ Keine Unterstellungen, bitte …“
    „ Lassen Sie mich ausreden!“ Er zieht mich noch näher an sich und wieder nehme ich seinen Geruch wahr. Selten hat allein der Geruch eines Mannes mich so ... angezogen? Fasziniert? Betört? Am liebsten möchte ich mich in ihn verkriechen – hier und jetzt.
    „ Sie ist noch ein Kind und ich habe die Aufgabe ein Auge auf sie zu werfen. Sie kennen doch ihren Bruder und deren Freunde, oder?“ Warum muss er denn ausgerechnet jetzt reden? Ein wenig benebelt reiße ich mich zusammen und versuche seine Worte mit einem tieferen Sinn zu füllen. Was wollte er wissen? Ach ja.
    „ Naja, kennen wäre vielleicht zu viel …“
    „ Seien Sie nicht kleinlich. Sie wissen, was ich meine.“
    Aufseufzend nicke ich widerstrebend.
    „ Ihre Eltern halten sie bewusst von all dem hier fern und wenn sie gekonnt hätten, dann wäre Sharroll jetzt bei ihnen und nicht hier bei ihrem Bruder.“ Er will noch mehr sagen, stoppt sich jedoch und sammelt sich kurz. Sein Griff um meine Arme lockert sich, ich denke jedoch nicht daran, von ihm fortzuweichen. „Gehen Sie in sich und stellen Sie sich vor, was dem Mädchen alles passieren kann. Vor allem in dieser Nacht und bei dem Verhalten, das ihr Bruder an den Tag legt.“
    Zugegeben, da ist etwas dran. Okay, meine eigene Jugend liegt schon lange zurück. Vor allem heute scheinen es ganze Ozeane aus Zeit zu sein und doch ... so langsam gehen die Alarmsirenen in meinem Kopf an. Zwar klingen sie ein wenig eingerostet, aber den Klang ist unverkennbar. Aus einem unerklärlichen Grund teile ich plötzlich seine Besorgnis. Dieser Mann ist vielleicht der Einzige, der sich wirklich Sorgen um sie macht – und das beeindruckt mich mehr als alles andere, was er bisher gesagt oder getan hat. Einmal mehr mustere ich ihn. Was hätte ich nicht alles für solch einen großen Bruder gegeben?
    Er schließt kurz die Augen und sieht mich dann eindringlich an. „Bitte helfen Sie mir. Ich bitte Sie …“
    Ob es die Intensität seiner Augen, die Nähe seines Körpers, die seltene Regung meines Gewissens oder einfach die Tatsache ist, dass er mich beim Vornamen genannt hat, die mich zu meiner Entscheidung bringt, kann ich nicht sagen. „Also schön, ich helfe Ihnen.“
    Pure Erleichterung steht in seinem Blick und er zieht mich noch einmal keusch umarmend an sich. Moment mal – wieso plötzlich so schüchtern. „Danke, Miss Ashton.“ Ach bitte.
    „ Christa.“
    „ Wie bitte?“ Er ist tatsächlich kurz irritiert.
    „ Eben haben Sie mich noch Christa genannt und dabei sollte es dann auch bleiben.“ Ich mache mich los und trete einen Schritt zurück. „Außerdem gibt mir das die Möglichkeit, Sie ebenfalls beim Vornamen zu nennen.“ Jetzt ist er verblüfft.

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