Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
darauf festnageln, dass ich bloß nichts sage.
„ Wenn es im Grunde nicht nötig ist, weiß ich nicht, warum ich das hier unterschreiben sollte“, gebe ich zurück und schiebe den Stapel von mir.
„ Es tut mir leid, aber ohne diese Formalitäten können wir Ihnen unser Angebot nicht zugestehen.“ Er wirkt echt geknickt. So sieht also Dankbarkeit aus. Zwei Jahre. Was weiß ich denn, was ich in zwei Jahren mache oder ob ich bis dahin wieder zurück will? Dann kommt mir der Gedanke, dass ich das Angebot in Anbetracht der Tatsache, dass ich einen falschen Namen verwende, sowieso nur unter diesem nutzen kann.
Langsam schaue ich auf den Stapel Papiere vor mir. Da steht er, der Name, den ich verwende: „Christa Ashton“, und all die dazugehörigen Deckangaben zu Geburtsdatum, Sozialversicherung, und so weiter. Da hat sich jemand richtig Mühe gegeben. Nicht zum ersten Mal bin ich sehr dankbar dafür, meine Identitäten so bombensicher ausgearbeitet und über die Jahre angelegt zu haben, dass ich sie einfach wechseln kann, wie die Schlange eine zu eng gewordenen Haut.
Ich blicke zum Kapitän auf und er macht eine auffordernde Geste.
„ Wir haben Ihrem Anwalt bereits die Möglichkeit gegeben, die Unterlagen zu prüfen. Es entstehen Ihnen dadurch wirklich keine Nachteile.“ Meinem Anwalt? Ich muss ihn wohl selten dämlich angesehen haben, denn er zieht die Papiere zu sich herüber und deckt eine Seite auf, die bereits eine geschwungene und ausdrucksstarke Unterschrift trägt. „Sehen Sie.“ Er deutet auf die Unterschrift. „Ein sehr fähiger und sehr umgänglicher Mann, Ihr Anwalt, möchte ich sagen.“
Ungläubig starre ich auf das Blatt vor mir. Ja, man kann ein „Hohenau“ daraus lesen und das große A spricht ebenfalls eine eigene Sprache. Was fällt ihm eigentlich ein? Plötzlich bin ich einfach nur müde und will nur noch weg. Aber der Mann, der mir gegenübersitzt, wirkt nicht im Entferntesten so, als würde er mich gehen lassen, ohne meine Unterschrift auf dem Papier zu haben. Es spricht ja auch nichts dagegen, oder? Immerhin hat Alex das Schriftstück geprüft – warum auch immer.
Es treibt mir zwar die pure Galle in den Hals, dass wir nicht darüber gesprochen haben oder er sich wenigstens bei mir rückversichert hat, ob ich das wirklich möchte, aber rein objektiv betrachtet dürfte er kein Interesse daran haben mich in dieser Hinsicht „aufs Kreuz zu legen“. Immerhin wird er mir wohl eine Rechnung für diesen Schritt stellen und ich an seiner Stelle würde es mir daher zweimal überlegen, was ich tue und was nicht.
Also schön – schwungvoll setze ich eine Unterschrift auf die dafür vorgesehene Zeile und schiebe das Papier zurück. Das heißt aber nicht, dass ich diese Angelegenheit nicht noch ausführlich mit Alex diskutieren werde. So geht es einfach nicht.
Der Kapitän steckt den halben Papierstapel und den Stift ein. „Die zweite Ausfertigung ist für Ihre Unterlagen, Miss.“
Ich bedanke mich anständig, grolle aber innerlich vor mich hin. Ja prima, ich wollte schon immer einen Haufen Papier mit mir durch einen Luxusliner schleppen.
Nun wieder professionell freundlich, steht mein Gegenüber auf. „Wunderbar. Die weiteren Formalitäten dazu werden Ihnen beim Check-out mitgeteilt.“ Er macht einen Schritt von mir fort und zurück zur Schiffssteuerung hin. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, ich habe ein Schiff zu lenken.“ Aha, der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen. Welch wunderbare Welt.
„ Selbstverständlich, Sir.“
So klingt ein freundlicher Rauswurf und es ist wohl auch alles Notwendige gesagt. Ich stehe ebenfalls auf und verabschiede mich. Im Gehen ruft mich der Kapitän noch einmal zurück. „Der Sicherheitschef würde gerne noch einmal mit Ihnen sprechen, Miss Ashton. Er hat da noch ein paar Fragen.“
„ Natürlich, verfügen Sie einfach über mich und meine Zeit“, grolle ich erneut, nicke dann aber dennoch und lasse mich von Sully zurück zum Fahrstuhl führen. Hoffentlich ist dieser Sicherheitsheini ein besserer Gesprächspartner …
Diesmal dauert es länger, bis der Fahrstuhl Deck 12 erreicht. Anscheinend war die Vorzugsfahrt nur für das Gespräch mit dem Kapitän vorgesehen.
Es soll mir recht sein, denn ich weiß noch nicht, was ich von dem Smalltalk mit dem Kapitän halten soll. Warum wollte er überhaupt mit mir sprechen? Nur um mir zu sagen, dass die Reederei mir dankt und um mir ihr Angebot zu unterbreiten? Da
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