Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
meiner Schritte melden sich die Shakespears Sisters zu Wort: „You'd better hope and pray that you make it safe back to your own world. You'd better hope and pray that you'll wake one day in your own world …” Natürlich, nichts leichter als das!
Die diensthabende Schwester schaut mich etwas irritiert an, als ich im vollen Lauf an ihr vorbeihechte, dabei meine Tasche mit einer Bewegung bar jeglichen Verstandes greife und aus der Station verschwinde. Würde mich nicht wundern, wenn ein paar vertrocknete Büsche jetzt stilvoll den Gang der Krankenstation entlangwehen – ganz klassisch im Wild-West-Stil.
Ich muss hier raus! Der Wunsch materialisiert sich immer deutlicher hinter meiner Stirn und der Drang einfach von Bord zu springen wird so übermächtig, dass ich es ernsthaft in Erwägung ziehe. Aber was hat Fay gerade so schön gesagt? Es sind noch drei Tage bis nach Southampton. Natürlich könnte ich telefonisch einen Hubschrauber anfordern, das verdammte Geld dafür habe ich übrig. Aber aus welchem Grund würde der schon abheben und ein augenscheinlich hysterisches „Frauenzimmer“ abholen?
Und dann all die Fragen, auf die ich keine Antwort geben will. Vielleicht geht ja auch ein U-Boot? Die haben doch U-Boote, oder? Mir ist zwar gerade nicht ganz klar, wen ich mit die eigentlich meine, aber irgendwas ist ja immer! Auch der Flur des Decks zieht sich wahnsinnig in die Länge. Komme ich eigentlich vorwärts oder bilde ich mir das alles auch nur ein? Aber nein, da vorne sehe ich die vertrauten Schilder der Aufzüge.
Als ich sie erreiche, sind die Fahrstühle natürlich weit weg von mir. Ungeduldig drücke ich den Rufknopf, doch die Anzeige zeigt keine Veränderung. 21 … 22 … 23 … Hallo?! Eine gefühlte Ewigkeit später wird es mir zu dumm und ich steuere die Treppe an. Deck 2 ist jetzt nicht die Welt und vielleicht …
Wer kam eigentlich auf die bescheuerte Idee, diese Kreuzfahrt zu machen? Obwohl ich die Treppe nehme, ist der Weg zum Empfang viel zu kurz, um mein überhitztes Gemüt abkühlen zu lassen.
Ich kapiere es einfach nicht. Der ursprüngliche Plan hatte vorgesehen, sich auf dieses Schiff zu setzen, gemütlich über den Ozean zu schippern, eventuell jemanden zum Spaßhaben zu finden und plötzlich stecke ich in dieser … dieser undefinierbaren zwischenmenschlichen Beziehungskiste. Nicht genug, dass ich auf einmal eine Heldin, nein, ein Engel sein soll, dem man überschwänglich und permanent dankt.
Nein, Mann mokiert sich über meine Lebensweisen. Hallo? Ein für alle Mal: Es gibt kein Exklusivrecht an mir! Nicht heute, nicht morgen – überhaupt nicht. Normalerweise würde ich spätestens jetzt, wo Mann mir emotional verbunden ist, verschwinden und zwar auf Nimmerwiedersehen. Okay, vorher würde ich ihm noch einen Scheck für seine Dienste ausstellen. Geschäft ist schließlich Geschäft.
Jetzt sitze ich aber auf diesem blöden Dampfer fest und muss ausharren, bis wir in drei Tagen England erreichen. Drei verdammte Tage! Na, das kann ja noch heiter werden. Im Sturmschritt erreiche ich das Foyer – die eine Hand wie einen Schraubstock um die Tasche mit meinen Arbeitsutensilien geklammert. Ein Blick in die Runde: Cindy ist noch nicht da. Gut. Sogar sehr gut. In dieser Stimmung kann ich mich nicht konzentrieren, geschweige denn arbeiten.
Aus den an sich friedlichen Elfen der Vorlage würden momentan diabolisch grinsende Dämonen werden. Sie wären jeden Penny wert, wenn man darauf steht, das ganz ohne Frage. Aber Cindy ist weder der Typ für Dämonen, noch hat sie meine aktuelle Stimmung ausgelöst. Einen Moment lang überlege ich, was ich tun kann, um wenigstens ein bisschen Gemütsruhe zurückzubekommen. Um mich abzulenken, tauche ich kurzerhand in den Passantenstrom der Besucher ein.
Menschen rauschen schattenhaft und unwirklich an mir vorbei und wandern grob in drei Richtungen. Die eine Hälfte strömt in Richtung Royal Court Theatre oder noch weiter ins Illuminations. Die andere Hälfte bewegt sich in Richtung Casino beziehungsweise Empire Casino. Einzig ein paar vereinzelte Gäste erklimmen die Stufen hinauf auf Deck 3. Irgendwie bin ich in den Strom der Gäste geraten, die sich zum Bug hin bewegen. Eine leise Melodie dringt aus Richtung des Royal Court Theatres an mein Ohr und wieder gratuliere ich dem DJ des Schiffes für sein unverkennbares Gespür für Dramatik.
„ Oh, life could be a dream (sh-boom), if I could take you up in paradise up above (sh-boom), if you would
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