Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
wenn du dich doch noch umentscheiden möchtest …“
Sein Gesicht verdüstert sich. „Ich bin nicht für eigene Kinder gemacht.“
Rasch ziehen ein paar Daten seiner Kindheit an meinem inneren Auge vorbei und ich nicke betreten. Dies ist wieder einer dieser Momente.
Seine Stimme holt mich zurück. „Wenn wir uns besser kennen erkläre ich dir, wieso nicht.“
„ Einverstanden.“
Eine Weile sprechen wir über Belangloses und stellen eine Liste der Orte auf, die wir besuchen wollen, und darüber vergehen die Stunden. Ich muss zugeben, dass es nicht nur Spaß macht, mit ihm zu reden, sondern äußerst angenehm ist, jemanden um sich zu haben. Jemanden, mit dem ich lachen und mich streiten kann. Es erinnert mich ein wenig an die Zeit in der WG. Wenn wir angekommen sind, muss ich die Mädels unbedingt anrufen. Zeitverschiebung hin oder her.
Gerade als wir überlegen, die Nacht doch in der Kabine zu verbringen, klopft es erneut. Freundlicher dieses Mal. Sully steht freudestrahlend vor der Tür und überreicht mir eine persönliche Einladung zum Captain’s Dinner. Dieses wird in gut einer Stunde im Britannia Restaurant stattfinden. Man bittet mich an den Tisch des Kapitäns. Mich und meine Begleitung.
„ Ich denke, das ist das, was einer offiziellen Entschuldigung am nächsten kommt“, ist das Einzige, was Alex erleichtert dazu sagt.
Ach herrje.
„ Was ziehe ich da bloß an?“, seufze ich, einen Blick in meinen Kleiderschrank werfend.
„ Mir würde da leicht etwas einfallen.“ Alex zwinkert mir aufmunternd zu. „Allerdings fürchte ich, dass das die Gerüchte wohl doch eher verhärten würde.“
Ich lache. „Um nichts in der Welt würde ich das wollen. Jetzt, wo wir offiziell freigesprochen sind.“
… Auch wenn es lustig wäre …
57. Auftakt zum Captain’s Dinner
Wir sind ein wirklich schönes Paar.
Er das klassische Model im blütenweißen Hemd, mit dezenter Krawatte, schwarzem Smoking und polierten Schuhen. Selbstverständlich mit farblich passendem Einstecktuch, glänzender Krawattennadel und blitzenden Manschettenknöpfen.
Ich im „kleinen Schwarzen“. Ein Traum aus Chiffon, mit dünnen Spaghettiträgern und leicht schwingendem Rock. Darüber trage ich ein spitzenbesetztes Bolerojäckchen, das sich in den Tiefen meines Koffers versteckt hatte. Für einen kurzen Moment habe ich überlegt, stattdessen ein farbiges Tuch als weiteres Accessoire zu wählen, aber das erschien mir dann doch unpraktisch. Außerdem wären meine Arme dann nicht weiter bedeckt und wir haben immer noch Winter. Also wieder zurück damit in den Koffer.
Okay, meine Absätze könnten einen Ticken niedriger sein, doch sie sorgen für eine schönere Haltung und passen sowohl zu der dezenten Schminke, als auch zu der aufwendigen Frisur. Als letztes i-Tüpfelchen passt mein Schmuck farblich zu Alex’ Krawatte. Ja, wir haben uns Mühe gegeben – so richtig. Obwohl wir eine Kabine teilen – zugegeben, eine große – hat sich doch jeder eine eigene Nische gesucht um die letzten Vorbereitungen zu treffen.
Auch hinterlasse ich Nicole eine Nachricht. Jetzt, wo sie da ist, möchte ich einfach nichts dem Zufall überlassen. Egal, wie nahe wir dem Ufer schon sind. Alex sieht es und erkundigt sich neugierig nach ihr.
„ Nicole ist als Unterstützung für mich da, wenn ich den letzten Tag hier an Bord verbringe.“
„ Und woher kennst du sie?“
„ Ich kannte sie bisher gar nicht. Aber jemand, dem ich vertraue, hat sie mir geschickt.“
Neugierig sieht er mich an. „Jemand, den ich kennen müsste?“
Kurz überlege ich. „Nein, aber vielleicht stelle ich dich ihm irgendwann einmal vor.“
Er verzieht keine Miene. „Dann gab es also doch schon einmal einen Mann in deinem Leben, mit dem du es länger ausgehalten hast?“ Auch wenn die Frage merkwürdig formuliert ist, liegt kein Vorwurf darin.
„ Ja, es gab da mal jemanden. Aber das ist vorbei.“ Ihm die Einzelheiten zu erklären, würde jetzt wohl den Rahmen sprengen.
„ Muss ich eifersüchtig sein?“, erkundigt er sich und ich kann nicht anders. Ich muss lachen.
„ Eifersüchtig, auf Jason? Nein, das musst du nicht.“
Er grinst. „Aha, er heißt also Jason.“
Ups – ich versuche mir nichts anmerken zu lassen und necke ihn weiter. „Im Grunde müsstest du ihm sogar dankbar sein, denn ohne ihn hätten wir uns nicht kennen gelernt.“
Er zieht mich an sich. „Dann musst du ihn mir unbedingt vorstellen, damit ich ihm danken
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