Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
und alle anderen stehen respektvoll auf.
Moment mal? Wenn er der Kapitän ist, wer war dann neulich der Mann, der mich auf der Brücke begrüßt hat? Vielleicht teilen sie sich die Arbeit? So als Kapitän und Stellvertreter? Das wäre eine Möglichkeit.
„ Guten Abend, Ladies und Gentlemen“, grüßt er freundlich in die Runde. Wir grüßen ebenfalls freundlich zurück und ich knipse dabei mein schönstes Lächeln an.
Der Kapitän reicht mir die Hand. „Miss Ashton, nicht wahr?“
Ich nicke.
„ Ich bin erfreut Sie endlich persönlich kennen zu lernen.“ Er wendet sich an Alex. „Und Sie sind?“
„ Alexander von Hohenau, Kapitän.“ Sie schütteln sich gegenseitig die Hände.
„ Auch sehr erfreut, Sie kennen zu lernen, Sir. Ihr Name kommt mir bekannt vor. Kennen wir uns?“
Alex lächelt weiter. „Ich habe die Verträge der Reederei mit und für Miss Ashton geprüft.“
„ Ach ja, jetzt erinnere ich mich.“
Nachdem das geklärt ist, wendet sich der Kapitän an die anderen Gäste des Tisches.
„ Darf ich vorstellen? Mr. und Mrs. MacLain aus Boston.“ Er deutet dabei auf das ältere Paar gleich rechts neben mir. Diese nicken uns freundlich zu.
Der Kapitän fährt fort. „Mr. MacLain ist ehemaliger Broadwayproduzent und hat uns sehr bei der Umsetzung unseres Bühnenprogramms geholfen.“ Er lächelt den Besagten an. „Dafür danken wir ihm sehr.“
Wir reichen uns die Hände und der Kapitän fährt fort. „Daneben darf ich Ihnen Mr. Rötgers und seine Schwester Mrs. Skyla Bell vorstellen.“ Wir nicken einander zu. „Mr. Rötgers gehört ein Teil der Reederei und Mrs. Bell ist derzeit für das Marketing zuständig. Wenn Sie vielleicht einen kleinen Tipp unter der Hand haben, der unser Image verbessert, sind Sie hier an der richtigen Adresse.“ Lächeln, Knickse, Hände schütteln. Es nimmt einfach kein Ende.
„ Als Letzte begrüße ich Familie Hibbard bei uns. Sie gehören quasi zur Politprominenz, auch wenn Dr. Hibbard sich bereits von allen Ämtern zurückgezogen hat.“
Seine Frau legt ihm die Hand auf den Arm und schmunzelt. „Glauben Sie nicht, dass ihn das davon abhält, sich nach wie vor in die Belange anderer Menschen einzumischen.“
Dr. Hibbard lächelt professionell. „Ich kann einfach nicht aus meiner Haut.“ Ganz ein Gentleman der alten Schule.
Neben dem Kapitän bleibt ein Platz frei. „Hier sollte eigentlich Dr. Morten sitzen, unser Schiffsarzt, aber ich denke, er ist noch im Dienst.“ Verständnisvolles Nicken überall.
„ Miss Ashton hier“, der Kapitän deutet auf mich, „sie ist unsere Heldin der Überfahrt, wenn man so möchte.“ Interessierte Blicke haften nun an mir. „Aber setzen wir uns doch.“
Dieser Aufforderung kommen wir gerne nach, wobei Alex mir den Stuhl zurückzieht und ich graziös Platz nehme.
58. Die Gummibärchenfrage
„ Was genau muss ich mir unter ‚Heldin der Überfahrt‘ vorstellen?“ Skyla Bell, die nun direkt neben mir sitzt, hat sich etwas herübergebeugt. Wir haben den „Kleinen Gruß der Küche“ hinter uns gelassen und warten auf die Vorspeise. Die Stimmung im Saal ist gut. Vielleicht liegt es daran, dass wir morgen alle wieder festen Boden unter den Füßen haben oder einfach nur daran, dass das Essen zügig und beinahe gleichzeitig bei allen Anwesenden ankommt. Welche logistische Herausforderung dahintersteckt, will ich mir gar nicht ausmalen.
„ Ach, das war gar keine so große Sache“, versuche ich abzuwiegeln, denn eigentlich will ich nicht darüber sprechen.
Sie sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Keine große Sache? Meine Liebe, Sie sitzen deswegen hier an unserem Tisch. Es muss sich also um etwas handeln, das entweder die Reederei direkt oder mindestens ein hochrangiges Mitglied der Crew betrifft.“ Sie mustert mich eingehend.
„ Und dass ich einfach nur Glück beim Einchecken hatte oder dieses Dinner bei einem internen Preisausschreiben gewonnen habe, ist nicht möglich?“, erkundige ich mich freundlich.
„ Nein“, entgegnet sie knapp, aber noch freundlich. „Hätte es sich um ein Gratisessen oder eine andere Art der Erkenntlichzeigung gehandelt, hätte ich dies in Betracht gezogen“, fährt sie fort, „aber so ist es nicht. Dies ist das erste Captain’s Dinner des neuen Jahres. Das ist etwas ganz Besonderes.“
Ach du meine Güte. Da hat mich Mr. Morgan ja ganz schön in etwas hineingeritten. Gerade bin ich dabei mir zu überlegen, dass er dies vielleicht
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