Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
körperliche Kraft, und so sammele ich sie noch einmal zusammen und rufe geistig nach Alex und nach Nicole. Zugegeben, der letzte Ruf brach schneller ab, als mir lieb ist, dennoch sollten beide das dringende Bedürfnis haben, zu mir zu kommen.
Danach bricht die geistige Verbindung jedoch zu schnell zusammen, um sicher sein zu können, dass sie tatsächlich ihr Ziel vollständig erreicht hat. Jetzt kann ich nur hoffen. Nicole zumindest wird sicher keine Zeit verlieren, dem nachzukommen, auch wenn sie möglicherweise nur ein Bruchstück meiner eigentlichen Not erreicht hat.
Christopher betrachtet mich nach wie vor und ich sammele mich. Jetzt nur auf das Hier und Jetzt konzentrieren, ermahne ich mich.
„ Dein Vater“, beginne ich mit all der Verachtung, die ich für diesen Mann übrighabe. „War ein übler Menschenschinder und ein Psychopath.“
Für einen Moment treffen sich unsere Blicke und ich schaffe es, ihm eine kurze Flut alter, aber nichtsdestotrotz bestialischer Bilder zu senden. Dass sie der Wahrheit entsprechen und aus den tiefsten Tiefen meines Unterbewusstseins kommen, macht sie noch einen Ticken unangenehmer. Auch für mich.
Er schüttelt den Kopf. „Das ist nicht mein Vater!“
„ Oh doch – das ist er“, gebe ich voller Genugtuung zurück. „Er war ein Monster und er hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin.“ Ausgesprochen ist die Wahrheit immer eine Erlösung, auch wenn es Jahrzehnte dauert.
„ Du lügst“, brüllt er, weicht aber zurück.
„ Tue ich das?“, höhne ich. „Befrage dein Gewissen und du weißt, dass es wahr ist.“
Beinahe hätte ich aufgelacht, denn ich kann die Erkenntnis in seinem Geist aufkeimen sehen. Er weicht weiter zurück.
„ Also, Bübchen. Mach mich los, sonst wirst du wie er. Obwohl“, ich halte kurz inne, „eigentlich wirst du nie so sein wie er. Du bist zu weich.“
„ Halt’s Maul!“, brüllt er mich an und greift sich eine unterarmdicke Eisenstange.
„ Oh, was willst du jetzt tun? Mich verprügeln?“, höhne ich – auch wenn ich ein Stoßgebet an den für mich Zuständigen sende, dass Alex bald hier ist. BITTE!
Nun grinst er. „Nein, das werde ich nicht tun. Ich habe gesehen, wie deine gebrochenen Knochen wieder zusammenwachsen, als wäre nichts gewesen.“ Ah, das erklärt dann auch die Schmerzen in meinem Körper und den anhaltenden Heilungsprozess. „Ich werde dich leiden lassen und dann werde ich dir den Kopf abschneiden und ihn mit Knoblauch füllen.“
Öh ja, was sagt man dazu? „Dir ist schon klar, dass das nichts bringt, oder?“, versuche ich es diplomatisch, aber ich erreiche ihn nicht.
Voller Genugtuung tritt er einen Schritt beiseite und ich erkenne, dass Joe ein Schweißgerät mit glühender Flamme in der Hand hält. Was zum …?
Christopher geht zu ihm und hält das Eisenrohr in die Flamme. Schnell beginnt es zu glühen und ein schwerer Geruch nach verbrennenden Gasen und erhitztem Metall legt sich über den Raum.
Als das Ende der Stange weißglühend ist, holt Christopher sie aus der Flamme und kommt auf mich zu.
„ Du stehst doch auf Tattoos, wie wäre es da mit einem Branding?“
Ich sehe ihn nur an und versuche mit purer Willenskraft ihn davon abzuhalten die Stange zu benutzen. Doch er wehrt sich dagegen und ganz langsam nähert sich die Stange meinem Unterleib.
„ Das wirst du bereuen“, zische ich und lasse ihn dabei mein wahres Wesen sehen.
Er zuckt kurz zurück, doch dann streift die glühende Stange beinahe zärtlich meinen Unterleib. Der Schmerz ist unerträglich und für lange Zeit höre ich nur noch meine eigenen unmenschlichen Schreie.
60. Seelenflecken
Die Stange ist nicht das Einzige, was mich in den nächsten Augenblicken „liebevoll berührt“. Meine Schmerzen erstrecken sich ins Unermessliche und immer wieder schwinden meine Sinne ganz. Aber jedes Mal holt mich ein neuer, intensiver Schmerz zurück. Es ist beinahe so, als wollten sie jeden Millimeter Haut an mir versengen oder mir abwechselnd tatsächlich alle Knochen meines Körpers brechen.
Irgendwann nimmt die Intensität jedoch ab. Mein Körper ergibt sich einfach und es dauert – zum Glück – immer länger, bis ich wieder zu mir komme. Warum ich überhaupt immer wieder aufwache, ist mir schleierhaft, denn alle Kraft ist aus mir gewichen. Auch schließen sich die Wunden nicht mehr sofort. Meine Kräfte sind dabei, vollends zu erlöschen, während mein Geist dies schon lange getan und den Bezug zu meinem Körper
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