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Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myrna E. Murray
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klein sind. Nur dass mein Schwarzer Mann ein Gesicht und einen Namen hatte. Ich konnte meinen Vater überreden, Tricia so lange bleiben zu lassen, bis ich schlafen ging. Ich bettelte so lange, bis er es erlaubte.
    Da Vater uns nicht mehr kontrollierte, begann Tricia damit, Gutenachtgeschichten etwas abzuändern. Ich hörte Märchen und Räubergeschichten – es war der Wahnsinn. Auch machten wir beide nachmittags nun öfter Ausflüge in die Stadt. Sie zeigte mir New Orleans von einer anderen Seite. Ich war jetzt mittlerweile sieben Jahre alt und wenn uns jemand fragte, dann war ich ihre kleine Schwester. Das funktionierte wunderbar. Natürlich wünschte ich mir heimlich, ihre Schwester zu sein.
     
    Peng! Tür zu, Schlüssel umdrehen und weg damit. Kleine Schwester, dass ich nicht lache. Wen hatten wir eigentlich damit täuschen wollen? Viel interessanter war allerdings, dass es tatsächlich funktioniert hatte.
    Ist Realität also tatsächlich, was wir daraus machen? Ein Spiel der Sinne, in dem Wahnsinn Realität und Wirklichkeit Wahnsinn ist? Eine perfekt inszenierte Scheinwelt sich überschneidender Identitäten, in der alles möglich scheint ... STOP! Ich bin an dem einen Punkt angekommen, an dem es gedanklich kein Zurück mehr gibt und steuere fast blindlings auf einen vorprogrammierten emotionalen Blackout zu. Wo bitte sind die großen gelbroten Warnleuchten und das ohrenbetäubende Warnsignal geblieben?
    „ Geheimnis gegen Geheimnis, Miss Ashton, und Sie fangen an.“ Es wird wie ein Mantra, das immer lauter in meinem Kopf wird – ähnlich einer Platte, die einen Sprung hat. Wütend reiße ich mir das Handtuch vom Kopf und den Bademantel vom Körper. Dazu ballen sich meine Hände zu Fäusten und wenn er jetzt hier wäre, wäre es das gewesen. Schwer atmend trete ich nackt vor den mannshohen Spiegel im Ankleidezimmer und betrachte mich so, wie ich erschaffen wurde.
    Die langen Haare kleben noch feucht auf Rücken, Schultern und auf meinen Brüsten, doch sie führen kein Wasser mehr. Ich betrachte mich eingehend im Spiegel. Der Körper hat sich seit Jahren nicht verändert und in Momenten wie diesen frage ich mich, warum nicht. „Ich bin kompliziert“ – dieses Zitat von Dorian Gray passt wie immer und es ist eine willkommene Abwechslung in meinem Kopf. Mein Blick wandert zu meinem Gesicht. Ich trete näher und schaue mir in die Augen.
    Langsam von zehn an rückwärts zählend betrachte ich mich und warte auf das Ergebnis. Es ist wie immer merkwürdig. Zehn Sekunden mit sich selbst allein zu sein und sich in diesem Moment selbst zu begegnen ... Ein Experiment und ein Wagnis gleichermaßen. Jetzt gerade sehe ich Schwärze – nichts, eine undurchdringliche Wand. „Ich bin kompliziert“, flüstert es in mir. Also schön. Ich löse die Wand auf und lasse mein Innerstes heraus.
    Mein Blick verändert sich, wird härter und wilder, bis es in ihm brennt. Gleichzeitig spüre ich, wie sich meine Seele zu entzünden scheint. Meine Zähne wachsen und nehmen meinen Zügen damit das letzte Fünkchen ... Normalität? Ich fauche mich selbst an und merke, wie sich instinktiv meine Nackenhaare aufstellen. Drohgebärden sind universal und sie verlieren nie ihre Wirkung. Sie sprechen einen Teil unseres Selbst an, den wir nicht wahrhaben wollen. Plötzlich muss ich über mich selbst lachen. Wen will ich denn hier beeindrucken oder, besser noch, belehren? „Entschuldigung, Miss Dalton. Wie war das gleich nochmal? Ich bin nicht so schnell mitgekommen ...“ Ich habe wohl den Beruf verfehlt.
    Mit einem bösen Lächeln wende ich mich ab, lasse mich schwer auf das große Bett fallen und suche die Fernbedienung des Fernsehers. Durch einen Tastendruck erwacht der schwarzmatte Bildschirm zum Leben und zeigt mir als erstes Bild nur weitere Schwärze. Einen Moment lang überlege ich, ob das Ding kaputt ist, doch dann fällt mir ein, dass ich ihn ja auf dem Kanal habe stehen lassen, der die Bilder einer Außenkamera überträgt. Schwarzes Wasser und schwarzer Himmel ergeben einen schwarzen Bildschirm – wenn das mal keine Erkenntnis ist. Langsam ziehe ich mich an die Wand des Bettes zurück und zappe durch die Kanäle. Wie zu erwarten läuft nicht viel auf den vom Satelliten übermittelten Sendern. Ich stoße auf einen Porno und beobachte eine Weile gelangweilt das Geschehen des guten alten „Rein-raus-Spiels“, welches die Darsteller wenig überzeugend zur Schau stellen.
    Dabei wandern meine Gedanken unwillkürlich zu Ben und

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