Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
seinen breiten Schultern. Vielleicht könnte unser Spiel ja doch interessant werden, ich muss nur noch herausfinden, wie ich die Zügel in der Hand behalte und ihm doch das Gefühl geben kann, sie losgelassen zu haben. Das Bild des Fernsehers verliert seine Konturen und nur noch das obligatorische Stöhnen bleibt als monotone Geräuschquelle im Hintergrund bestehen. Meine Gedanken wandern erneut auf alten, fast ausgetretenen Pfaden und ein neues Bild entsteht vor meinem inneren Auge.
Ein kleines Zimmer in einem billigen Motel, abseits der großen Straßen der Stadt Mississippi, im Frühjahr 1983. Jason, mit dem ich damals durch die Gegend zog, und ich hatten dort Rast gemacht um den Tag zu überdauern. Jason war damals schon das, was wir nun beide heute sind. Er würde den Tag über ruhen und mein Plan sah vor, mich auf einen der Liegestühle in die schon kräftige Nachmittagssonne zu legen und einen bereits zerfledderten Liebesroman zu lesen, den ich am letzten Truck-Stop erworben hatte.
Jasons geliebter schwarzer 67er Chevy Impala parkte vor dem Motel und glänzte in der Sonne. Er hatte ihn vor allem wegen des großen, lichtundurchlässigen Kofferraums gekauft. Zumindest sagte er das. Aber im Stillen wusste ich, dass er eine verborgene Leidenschaft für die Kraft des Motors und die Ledersitze hatte. Der Impala klang einfach gut, wenn man ihn startete, und das beständige Dröhnen, welches unter der Motorhaube hervordrang, war ein vertrauter Begleiter geworden. Es war, als würde der Wagen sonor brummen, um dann sein allmächtiges Gebrüll hören zu lassen, wenn man Gas gab. Der Impala war ein „Geschoss“, zugegeben, dennoch war er ein herrliches Fahrzeug, welches mich genauso für sich einnahm wie Jason.
Die Zimmer waren klein, gereichten aber unseren Ansprüchen: zwei Betten, ein Tisch mit zwei Stühlen als Sitzgelegenheit, Dusche und WC. Die Zimmer ähnelten sich stets in dieser Art Motel, wie ein Ei dem anderen. Egal in welchem Teil des Landes man sich gerade befand. Auch der leicht stechende Geruch nach Desinfektionsmitteln war überall derselbe. Mich störte das nicht und Jason nahm die Dinge sowieso auf eine andere Art wahr. Auf welche wusste ich damals noch nicht…
Heute denke ich mit einem leichten Lächeln an diese Art Motel zurück und es schüttelt mich jedes Mal.
Ich ... Damals hatte ich mich hingelegt und war später von den Geräuschen im Nebenzimmer geweckt worden. Jason war noch nicht wieder zurückgekehrt und da ich nicht wieder hatte einschlafen können, hatte ich unwillkürlich gelauscht. Die Geräusche hatten sich als gekünstelte Lustschreie einer Frau entpuppt. Dies war nichts Neues für mich, auch wenn ich mich jedes Mal gefragt hatte, ob Männer es generell nicht merkten, wenn man ihnen etwas vorspielte. Ich hatte die Augen gerade wieder geschlossen, als sich die Schreie zu verändern begannen. Sie wurden hohler und schriller, kurz darauf herrschte Stille. Sie war fast noch unerträglicher als die Schreie. Mir wurde komisch zumute. Ich lauschte, doch kein Geräusch drang aus dem Nebenzimmer. Meine Neugier siegte über die Vernunft und ich bewegte mich langsam und bemüht leise aus dem Zimmer.
Erinnerungen sind etwas Merkwürdiges und diese eine im Besonderen. Jedes Mal erlebe ich sie so, als wäre ich in diesem Moment in dem verdammten Motel mit seinen in einem hellen Braun getünchten Wänden und den klodeckelgroßen Stiefmütterchen darauf, von denen ich damals wusste, dass sie mich in meine Träume verfolgen würden.
Ich erinnere mich an Jason, der darüber lacht und mich mit einem liebevollen „Das wäre doch mal eine Abwechslung, wenn du von Blumen träumst, meinst du nicht auch?“ neckt.
An mich, wie ich ein Kopfkissen mit einem zerschlissenen Bettbezug nach ihm werfe und ihn, der diesem Geschoss wie immer tänzelnd ausweicht.
Wahrscheinlich hätte ich einfach die Cops rufen sollen oder die Sache auf sich beruhen lassen, aber meine Neugier war damals schon zuweilen größer als mein Verstand.
Ich lauschte an der Nebentür, doch auch hier war nichts zu hören. Grauen packte mich, doch meine Neugier siegte trotzdem. Ich öffnete die Tür und betrat das Zimmer. Der Anblick verschlug mir nicht nur die Stimme sondern auch den Atem. Das große Bett und der Rest des Zimmers waren bedeckt mit Blutspritzern. Auf dem Bett breitete sich eine rote Pfütze aus und in ihr lag mit zerfetzter Kehle eine junge Frau. Ihrer spärlichen Bekleidung nach war sie eine
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