Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
Authentizität aufrechterhalten, so lauerten dennoch überall die beobachtenden Augen vieler versteckter Kameras und gut platzierter Türsteher.
Man kann machen, was man will – irgendwann kennen sie dein Gesicht. Auch wenn sie nichts zu deinen wechselnden Männerbekanntschaften sagen, so achten sie doch nach und nach mehr auf dich als auf den einzelnen Besucher, der unbemerkt in der Menge verschwinden kann. Das ist einfach nur lästig, wenn man meine Natur hat und lieber anonym bleibt.
Nichtsdestotrotz habe ich noch Relikte aus dieser Zeit in meinem Kleiderschrank, also momentan im Koffer, und sie haben mir bereits schöne Stunden beschert.
Ob Ben wohl darauf anspringen würde? Auf kleine, schmutzige Fantasien in einem Traum aus Spitze und halbdurchsichtiger Seide? Oder lieber eingeschnürt mit Strapsen und ohne Unterwäsche? Für einen Moment schwelge ich in einer Vorstellung von fantastischem Sex, der in einem formidablen Festessen für mich und für ihn in einer tiefen, rauschartigen Betäubung endet. Aber wahrscheinlich ist meine Fantasie ein besserer Lügner als die Realität und er ist in dieser Hinsicht ganz simpel gestrickt.
Gibt es hier eigentlich ein Kino an Bord? Abrupt bleibe ich stehen und drehe mich zum Hinweisschild des Planetariums um. Ich hatte da doch … Moment, das lässt sich sicher schnell überprüfen.
Wenige Schritte führen mich zum Illuminations, dem Planetarium. Vor dessen mittlerweile geöffnetem Eingang steht nun ein livrierter Pinguin in den klassischen Farben des Schiffes.
„ Verzeihung, Sir“, beginne ich und er sieht mich an. „Ich habe gelesen, dass das Planetarium auch als Kinosaal benutzt wird. Stimmt das?“
Er verbeugt sich höflich. „Das ist richtig, Madam“. Seine Stimme näselt und will nicht so recht zu den noch fast jungenhaften Zügen seines Gesichtes passen.
„ Wo kann ich denn herausfinden, ob und wann welche Filme gezeigt werden?“
Er runzelt kurz die Stirn. „Einen Moment bitte, Madam.“ Er tritt zurück. Hinein in das Planetarium und ich folge ihm.
Abschüssig wie in einem Kinosaal sind die Sitze in Gold und Rot angeordnet. Der Teppich am Boden ist hauptsächlich gelb gehalten, jedoch von einem verwirrenden roten Muster überzogen. Die Sitzreihen laufen auf eine Art Bühne zu und die Wände sind ebenfalls im Rot der Sitzsessel gehalten. Riesige, geschmackvolle Gemälde sind zwischen den einzelnen Lautsprechern platziert. Der Saal wirkt kultiviert und lädt dazu ein, einen Film zu genießen. Auch wenn man es hier sicher nicht gerne sieht, wenn von oben Popcorn auf die unteren Reihen geworfen wird. Eine Unsitte, wie ich finde, auch wenn sie nicht so störend ist wie die ständigen Quatscher oder Kommentatoren im Kinosaal, die natürlich direkt hinter einem sitzen müssen.
Ich schaue an die Decke und erkenne ein rundes Gestell, das auf halber Höhe über den Sesseln hängt. Es sieht gefährlich aus, so wie es dort herunterkommt.
„ Das ist unsere große Projektionsfläche, in der man bequem die Bilder der Show des Planetariums sehen kann“, erklärt der Pinguin, der gerade wie ein Schatten unhörbar neben mir erschienen ist. In seinen behandschuhten Händen hält er einen Prospekt, auf dem der Schriftzug der Queen Mary 2 prangt.
Während ich mich über sein plötzliches Auftauchen ordentlich erschreckt habe und zurückgefahren bin, schaut er mich freundlich an. „Das ist der Teppich, Madam“, erklärt er liebenswürdig. „Er schluckt jedes Geräusch, was bei einer laufenden Vorführung von Vorteil ist, wenn man zu spät kommt.“
Obwohl mir das einleuchtet, kann ich mir ein „Aber es hat noch niemand einen Herzinfarkt bekommen, weil Sie sich so herangeschlichen haben, oder?“ nicht verkneifen. Oder hat Sie mit gebleckten Zähnen angefallen, füge ich in Gedanken hinzu.
„ Nein Madam“. Sein Lächeln ist in seinem Gesicht festgetackert.
„ Na dann wünsche ich Ihnen, dass es so bleibt.“
„ Vielen Dank, Madam.“ Er reicht mir den Prospekt. „Hier finden Sie unser Programm. Sowohl die Vorträge im Planetarium selber, als auch die geplanten Kinovorstellungen.“ Das schmale Heftchen macht etwas her, das muss man ihm lassen. „Wir haben uns bemüht ein breites Spektrum von möglichen Interessen in das Programm aufzunehmen und hoffen, Sie finden etwas Passendes.“
Beim Überfliegen des Programms springt es mich an: „Moulin Rouge“ am 2. Januar um 20:30 Uhr. Meine Augen leuchten auf und ich sehe den Pinguin an. Er antwortet auf
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