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Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myrna E. Murray
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ihnen gehörten zur deutlich gehobenen Klasse. Ich fühlte mich fehl am Platz, klein und ungebildet. Man lachte hinter vorgehaltener Hand über mich und über Jason. Zufällig hörte ich ein Gespräch mit an, in dem man mich als niedliches kleines Blutpüppchen ohne Stil und Verstand bezeichnete. Das wollte ich nicht. Jason sollte sich meiner nicht schämen. Ich kramte meine Manieren hervor und begann diese auszubauen. Auch freundete ich mich mit besserer Garderobe an. Es dauerte eine Weile, aber nach und nach wurde ich sicherer auf dem Parkett der Schönen und Eleganten.
     
    Dass dies der erste Schritt zu meinem jetzigen Lebensstil sein würde, wusste ich damals zwar noch nicht und es war eine verdammt harte Schule, dennoch sind es Momente wie diese, in denen ich das alles nicht bereue. Momente, in denen ich vor dem Rosenstrauß stehe und eine kleine Karte in der Hand halte, auf der A.v.H. steht.
    Über diese Vorstellung ist mein Ärger langsam verflogen und einem Entschluss gewichen: Ich werde nicht zulassen, dass mir dieser kranke Bastard meine Überfahrt ruiniert – meine Auszeit, bevor ich da weitermache, wo ich in den Staaten aufgehört habe. Mit meinem Leben, meinen Wünschen und meiner Welt.
    Mich zum begehbaren Kleiderschrank umdrehend, kommt mir wieder der Gedanke an Bens Kürzel L.B., und während ich mir sorgsam die Garderobe für den heutigen Tag zurechtlege, führen wir in Gedanken ein ähnliches Gespräch wie Jason und ich damals. Allerdings ist der Ausgang ein gänzlich anderer. Ich schmunzele vor mich hin und schalte den Fernseher ein. Die Voreinstellung ist noch bei einem Musiksender und so tönt Jace Everetts Bad Things durch meine Kabine.
    „ Vampir.“ Das Wort würde langsam in Bens Bewusstsein sickern und seine Spuren in dem zu diesem Zeitpunkt lustvoll umnebelten Hirn hinterlassen. Ich müsste ihn nicht einmal berühren um „sehen“ zu können, was in ihm vorgeht. Er ist ja schließlich ein Fan von Bram Stokers Dracula und würde entschieden erklären, dass er Gary Oldman schon immer als klassische Fehlbesetzung empfunden hatte. In diesem Moment würde ihm sicher auch einfallen, dass eine seiner Exgeliebten für Brad Pitt in „Interview mit einem Vampir“ geschwärmt hatte. Er würde erklären, dass er schon immer gewusst habe, dass seine Initialen nicht zufällig L.B. sein und dies schon als ein Wink der höheren Ordnung so seine Richtigkeit habe. Seine Gedanken würden unaufhörlich um diese Figuren kreisen:
    Um den Dandy, den geheimnisvollen Lebemann, den mächtigen Vampir, welcher der Welt widersteht und mit einem Gedanken Frauen dazu bringt, ihm zu Füßen zu liegen. Er hätte da sicher eine sehr konkrete Vorstellung und diese würde für eine neue Erektion sorgen. Leise kichere ich bei diesem Gedanken, denn seine Vorstellungen bringen mich nur müde zum Lächeln.
    Ich würde träge an einer Vene lecken und ihm seine Gedankensprünge lassen. Denn, sicher, wer wäre nicht gerne ein Vampir und für wen klingen Macht und Unsterblichkeit verführerischer als für Ben? Leider müsste ich seine Vorstellungen bis in die Grundfesten zerstören, denn die Realität sieht ein wenig anders aus.
    Auch ein Lord Benjamin Woodenbrock, Esquire, müsste in meiner Welt hart kämpfen um zu überleben. Seine familiären Bande und damit der Weg zu seinem Vermögen wären abgeschnitten. Er wäre ein ganz kleines Licht in einer Welt voller Raubtiere, in der jeder um den besten Platz an der Tafel der Großen – und sie können verdammt groß und verdammt ehrfurchteinflößend sein – kämpft. Er wäre ein Niemand, denn er bedenkt in seinen Fantasien natürlich nicht, dass der, der ihn dazu macht, vor ihm da war und damit grundsätzlich Macht über ihn hätte. Sich diesem unterzuordnen würde ihm schwer fallen und damit wäre er von Anfang an eine Gefahr für uns alle.
    Während ich mich vor dem Schminktisch niederlasse und auch hier mein Werk beginne – die künstlichen Nägel haben interessanterweise die Nacht überstanden – führe ich mein gedankliches Zwiegespräch mit Ben einem Ende zu.
    Im Hier und Jetzt hat er zwar einen gewissen Einfluss, zumindest lässt man ihn das glauben.
    Meine Gedanken schweifen kurz zu Alex und seiner Erklärung bezüglich Bens Finanzen ab, dann kehren sie zurück.
    „ Ben“, würde ich sagen, „du hast Geld, Verbindungen und vielleicht auch ein wenig von dem, was du ‚Macht‘ nennst. Aber du würdest nicht eine Woche in den Reihen derer überleben, zu denen du dich

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