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Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myrna E. Murray
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so gerne gesellen möchtest. Für das Spiel der Großen bist du nicht geschaffen und auch nicht dafür, dich in ihrer Hierarchie zurechtzufinden.“ Ich kann sein Schicksal fast bildlich vor mir sehen ... und erfreue mich einen Moment daran.
    „ Selbst wenn du es schaffen würdest“, würde ich fortfahren, „kannst du Blut sehen? Kannst du den Gedanken ertragen zu töten, wenn es sein muss? Bist du bereit, für deine Taten nach einem Kodex Rechenschaft abzulegen, der weder Schwäche noch Versagen duldet? Wenn du jetzt einen Fehler machst, hauen dich Mommy und Daddy wieder raus, zumindest ihr Scheckbuch und es ist vergessen. Wenn du dort einen Fehler machst, hat das Konsequenzen für dich, die dich und den, der dich erschaffen hat, den Kopf kosten, und das meine ich nicht metaphorisch. Es gibt kein ‚Oh, da ist mir ein Fehler passiert‘, kein ‚Entschuldigung‘, und vor allem gibt es kein ‚Ich mache das schon wieder irgendwie gut‘. Vergiss es! Irgendjemand gräbt es wieder aus und darauf kannst du dich verlassen.“
    Anschließend würde ich dich dieses Gespräch vergessen lassen und mich am besten gleich mit dazu. Ich blicke in den Spiegel und bin zufrieden mit meinem Aussehen. Eine Frage bleibt jedoch offen: Warum ich es dann ertrage?
    Nun ja, weil es das Beste ist, was mir je passieren konnte.
     

 
     
    14. Ein Brief zu Beginn
     
    Dennoch, die Sache lässt mir keine Ruhe. Ich muss unbedingt mit jemandem sprechen, der mir vertraut ist. Also greife ich zum Telefon der Suite und wähle eine Telefonnummer in den Staaten. Es ist nicht irgendeine Nummer, sondern die der drei besten Freundinnen die ich in letzter Zeit hatte.
    Gespannt warte ich. Es knackt laut in der Leitung und dann herrscht eine ganze Weile Stille. Als ich gerade auflegen und es erneut versuchen will, ertönt ein Freizeichen und die Verbindung ist hergestellt.
    Nach dem dritten Klingeln hebt jemand ab.
    „ Tut mir leid, wir kaufen nichts.“ Phoebes sonst so freundliche Stimme klingt genervt und es scheint, als wäre das Gespräch damit beendet. Es knackt, so als hätte jemand aufgelegt, doch ich kenne die Soundeffekte des Anrufbeantworters, der auf diesem Anschluss grundsätzlich vor jedes Gespräch geschaltet ist, und mache mir entsprechend auch keine Sorgen. Dass er das Gespräch entgegennimmt, ist ein gutes Zeichen. Anderenfalls wäre die Leitung tot gewesen.
    „ Hallo Mädels, ich bin’s“, antworte ich daher und warte. Der Anrufbeantworter ist die Art der WG, sich vor unerwünschten Anrufern zu schützen. Ich habe ihn immer sehr geschätzt und mich über die empörten Anrufer amüsiert, die meinten, sie wären aus der Leitung geflogen. Ich warte noch einen weiteren Moment, doch nichts passiert. „Anscheinend habt ihr den Anrufbeantworter vergessen. Egal – mir geht es jedenfalls gut und ich hoffe, euch auch. Alles Liebe.“ Ich lege auf. Schade.
    Gedankenverloren lasse ich den Hörer auf die Gabel zurückgleiten und sinke, in den Bademantel und den Duft meines Lieblingsduschgels eingehüllt, zurück aufs Bett. Ich habe einfach keine Lust, heute Nacht auszugehen. Lieber bleibe ich in der Kabine und sehe fern oder höre Musik und kümmere mich dabei um mich selbst. Bens Blut kreist in meinem Körper und wärmt mich. Trotzdem ziehe ich mir, ganz untypisch für mich, die Decke erneut bis unters Kinn und starre einfach nur an die Decke.
    Alles hatte damit begonnen , dass ich diesen Brief in meiner Post fand. An mich direkt adressiert, doch ohne einen Absender. Für gewöhnlich öffne ich solche Briefe nicht, denn sie enthalten oft nur Werbung, die Aufforderung, an einem obskuren Gewinnspiel teilzunehmen oder Angebote von Banken, die einem unbedingt einen Kleinkredit ermöglichen wollen. Genau jetzt und auch niemals wieder, also ergriff man am besten seine Chance und änderte sein Leben. Jetzt!
    Aber dieser Brief war irgendwie … anders. Zum einen strahlte er etwas Erhabenes aus, wie er da so einsam gegen den Spiegel meines Schminktisches lehnte, und zum anderen schien auch etwas mit seinem Papier nicht zu stimmen. Das klingt jetzt merkwürdig, aber ich kann es im Nachhinein nicht weiter beschreiben.
    Der Brief war anders und er verlangte sofortige Aufmerksamkeit.
    Ich seufzte leise, ließ mich in meinem teuren weinroten Satinkleid etwas undamenhaft auf den Stuhl vor dem Schminktisch fallen und betrachtete ihn. Ich starrte ihn an, während ich meine Füße aus den farblich passenden Pumps mit Absatz entließ – zwölf Zentimeter

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