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Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myrna E. Murray
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also nicht die Mühe gemacht, den Anrufbeantworter auszustellen. Mein Lächeln wird breiter.
    „ Hier ist Ernesta Consalez, ihre Haushälterin. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass die letzte Rechnung nicht bezahlt wurde ...“, gebe ich mit einer schlechten Imitation eines spanischen Dialekts zurück und sofort wird das Gespräch entgegengenommen.
    „ Wir haben gar keine ...“, tönt Marges Stimme aus dem Hörer und ich bekomme einen soliden Lachanfall.
    „ Ach Marge, das ist der alte Haushälterinnentrick. Hast du denn alles vergessen?“
    Für einen Moment herrscht Stille am anderen Ende, dann hat sie meine Stimme erkannt und kreischt auf. „C.J.? Mensch, das ist aber schön, dass du dich meldest. Geht es dir gut?“ Marges Stimme klingt jetzt irgendwie blechern durch die Leitung. Ist sie erkältet?
    „ Ja, mir geht’s prima. Was ist bei euch los?“
    „ Ach, nur das Übliche. Du weißt doch, hier passiert nie etwas Aufregendes …“, plappert sie los und für die nächste Viertelstunde bin ich mit Zuhören beschäftigt. Gut gelaunt drehe ich dabei den Kopf zur Seite und starre hinaus aus dem Fenster. Marges Bericht ist genauso ausführlich, wie ich es erwartet habe. Wenn ich die Augen schließe, kann ich die Einrichtung der Wohnung vor mir sehen.
    Marge sitzt beim Telefonieren immer auf einem der hohen Hocker an der Bar und malt kleine, undefinierbare Muster auf den daneben liegenden Block. Der ist eigentlich für Nachrichten an abwesende WG-Mitglieder gedacht, wird von ihr aber regelmäßig zweckentfremdet. Hätten wir ein Telefonkabel gehabt, hätte sie sicher kleine Spiralen hineingedreht. Wie schön, dass sich manche Dinge nie ändern.
    Sie ist immer noch unser „Hausmütterchen“, das sich um alles kümmert. Wahrscheinlich liegt das so sehr in ihrer Natur, dass sie gar nicht dagegen an kann. Okay, der Gedanke ist gemein; vor allem da ich weiß, dass sie liebend gerne eine professionelle Balletttänzerin geworden wäre. Ihr Problem dabei sind ihre Füße, oder „diese klobigen unförmigen Klötze an den Enden meiner Beine.“ Sie behauptet steif und fest, dass es ein Unfall in ihrer Kindheit war, der ihr die Füße ruiniert hat. „Davor hatte ich Füße wie Margot Fonteyn, ebenso wie ihr Talent.“ Wir, die wir mit ihr zusammengelebt haben, wissen aber, dass dies eine Lüge ist. Allerdings wären wir schlechte Freundinnen, ihr das zu sagen.
     
    „ Verdammt nochmal, Marge, mit wem telefonierst du da?“, dröhnt es plötzlich aus dem Hintergrund. Zoes Stimme ist unverkennbar.
    „ Nein, Zoe. Gib mir das Telefon wieder. Das ist mein Gespräch.“
    Es folgt scheinbar ein kleines Gerangel, dann habe ich Zoe dran. „Hallo?“ Sie hat einen tiefen hawaiianischen Akzent aufgelegt, mit dem sie stets versucht die Menschen zu beeindrucken. „Wer ist da und warum?“ Sie betont jede Silbe anders und ihre Stimme hat den tiefen Singsang angenommen, den ich so liebe.
    „ Hallo Zoe. Ich hätte gerne zwei Pfund Tofu im Eilexpress hierher, aber nur, wenn du garantieren kannst, das er aus 200 Prozent biologischem Anbau ist. Dazu einen Sesamriegel mit Akazienhonig. Den gerösteten, nicht den gekochten.“
    Es herrscht eine Weile Stille in der Leitung, dann hat es offensichtlich Klack gemacht. „C.J.!“, brüllt sie. „Es ist C.J., Marge, warum hast du das nicht gleich gesagt?“
    „ Das wollte ich, aber …“, beschwert sich Marge maulig im Hintergrund, während Zoe die Letzte im Bunde herbeibrüllt: „Phoebe! Schwing deinen Hintern aus dem Bett und komm ans Telefon!“
    Auf das Chaos, das nun folgt, bin ich vorbereitet und halte lieber den Hörer vom Ohr fort. „Ich will mit ihr sprechen. Gib mir das Telefon, Zoe.“ Phoebes Stimme ist müde, aber noch nicht verschlafen.
    „ Das ist mein Telefon, also bestimme ich auch, wer es in der Hand hält. Verstanden?“, gibt Zoe ungerührt zurück und ich fange schallend an zu lachen.
    Anscheinend hört Zoe das, denn plötzlich ist ihre Stimme wieder nah bei mir. „Kleinen Moment noch, Liebes. Wir sind gleich so weit.“
    Die Chance nutzend frage ich: „Ist das immer noch das neue Telefon?“
    Irritiertes Schweigen folgt. „Ja, wieso?“
    Ich lache. „Weil es eine Freisprecheinrichtung hat – darum.“
    Schweigen, dann klickt es in der Leitung und Phoebe erklärt: „Wir können dich jetzt alle hören.“ Den Blick, den sie dabei Zoe zuwirft, kann ich beinahe sehen und lache wieder.
    Nach einer Weile habe ich mich beruhigt und bin wieder ganz

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