Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
unterbricht er die Stille und ich taxiere ihn von der Seite.
„ In der Tat.“
Es scheint ihm etwas auf der Seele zu liegen, doch noch ist er nicht bereit seine Gedanken preiszugeben. Ich warte und kann mir dabei in etwa vorstellen, was er zu sagen hat. Irgendwann musste das ja kommen.
Schließlich räuspert er sich und beginnt: „Ich möchte mich bei Ihnen für den peinlichen Zwischenfall entschuldigen, Miss Ashton.“ Aha – schon mal ein guter Anfang. „Dieser hat Sie in eine prekäre Lage gebracht und Seine Lordschaft ist ein Meister darin, solche Momente für sich auszunutzen.“ Schweigend sieht er mich an und ich begreife nicht ganz.
„ Vielen Dank, Mr. von Hohenau, aber es gibt nichts, wofür Sie sich entschuldigen müssten.“ Lange mustert er mich und ich ringe mir eine kleine Erklärung ab. „Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, dass Sie oder Fay mich in eine Lage gebracht hätten, die mir unangenehm war oder die mich überrumpelt hätte.“
„ Sie meinen …?“, er beendet den Satz nicht, nur sein Tonfall hebt sich leicht.
Ich lächele ihn zwanglos an. „Ich meine, dass ich keine Närrin bin, Sir.“
„ Das würde ich Ihnen auch niemals unterstellen“, beschwichtigt er, doch ich unterbreche, bevor er weiter ausführen kann.
„ Ben ist in meinen Augen ein Mann, der klar sagt was er will und es sich wahrscheinlich auch nimmt, wenn es ihm nicht freiwillig gegeben wird.“ Jetzt schaut er verunsichert. Ich lege ihm kurz und beschwichtigend meine Hand auf den Arm. „Machen Sie sich keine Sorgen. Zwischen mir und ihm ist nichts geschehen, was ich nicht gewollt hätte.“ Okay, das kann man jetzt auch falsch verstehen. Also setze ich noch einmal an. „Ich meine, der Abend war wilder, als ich mir erwartet hätte …“ Ach, verdammt nochmal – das klingt auch nicht viel besser, aber er scheint erleichtert. „Verstehen Sie mich nicht falsch, denn ob ich erneut einen Abend allein mit ihm verbringen würde, weiß ich noch nicht. Aber da dieses Schiff irgendwann den Kontinent erreichen wird …“ Ich lasse das Ende unausgesprochen im Raum stehen und sehe ihn weiter an. Warum genau habe ich das alles gesagt und warum mit all diesen Zweideutigkeiten? Ein einfaches „Nein, wir hatten keinen Sex und es geht Sie auch gar nichts an“ hätte es doch auch getan, oder? Vielleicht ist es die Art wie er mich ansieht oder etwas von den Geschehnissen der letzten beiden Abende, die mich so merkwürdig aus der Bahn werfen. Es ist einfach … irgendetwas … in seiner Ausstrahlung, das mich dazu bringt, mich wie ein ertappter Teenager zu rechtfertigen. Gefährlich, der Mann, sehr gefährlich.
Er nickt und tritt einen Schritt zurück. „Ich denke, Miss Ashton, Seine Lordschaft schuldet Ihnen erneut Garderobe, und wenigstens diese soll er Ihnen erstatten. Außerdem hat er verlauten lassen, dass er Ihre Begleitung zur Silvestergala wünscht.“ Ich nicke, bin aber wenig überrascht. „Ich möchte Sie trotzdem warnen, Miss Ashton und zwar um Ihretwillen. Seine Lordschaft kann sehr besitzergreifend werden und noch eifersüchtiger.“ Aha … Moment mal, er redet da von mir als Bens Partnerin? Beinahe hätte ich laut und wohl eher sarkastisch aufgelacht, doch irgendwie kann ich mich gerade noch beherrschen. Er fährt unbeirrt fort: „Momentan scheint es, als hätte er Sie als seine Favoritin auserkoren. Was ich nicht abwertend meine. Es ist eine reine Feststellung.“
Es wird einfach nicht besser. Vielleicht ist heute einfach kein Tag für Rhetorik. Ich nicke einfach erneut und er macht eine kleine Pause, in der er mich schweigend mustert. „Sie scheinen eine freundliche, patente, zielorientierte und absolut integere Person zu sein, soweit ich das beurteilen kann.“ Ja, das klingt schon besser.
„ Danke.“
„ Tun Sie bitte uns beiden den Gefallen und belassen Sie es dabei.“
Verdutzt sehe ich ihn an. Heute ist definitiv kein Tag der Rhetorik „Wie meinen Sie das?“
Er wirkt einen Moment verlegen, doch dann antwortet er ernst: „Ich bin als sein Anwalt für vieles verantwortlich. Unter anderem dafür, verzeihen Sie den Ausdruck, seinen Dreck aufzuräumen und alles wieder irgendwie geradezubiegen, was er verunstaltet hat.“
Er hält inne und ich horche auf. Aha – das hat er aber schön gesagt. Die Frage ist nur, ob ich es tatsächlich richtig verstanden habe.
Er nimmt kurz die Brille ab, putzt ein nicht vorhandenes Staubkorn fort und spricht dann, sich die Brille wieder aufsetzend,
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