Nachte des Sturms
Brenna keine Anstalten machte, sich wieder zu erheben, setzte sich auch ihre Schwester auf den Boden. »Ich denke, ich könnte dir verzeihen, wenn du in ihn verliebt wärst. Sagst du vielleicht deshalb diese Dinge?«
»Nein. Außerdem habe ich nicht gesagt, dass ich in ihn verliebt bin, sondern nur, dass es nicht völlig ausgeschlossen ist.« Verzweifelt packte Brenna Katies Hand. »Du darfst niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen davon erzählen. Wenn doch, bringe ich dich um. Du musst es mir schwören.«
»Um Himmels willen, weshalb sollte ich bitte durch die Gegend laufen und aller Welt davon erzählen? Schließlich würde ich mich selbst dadurch noch lächerlicher machen.«
»Wahrscheinlich wird sich diese ganze Sache sowieso früher oder später von selbst erledigen.«
»Weshalb solltest du das wollen?«
»Ich und in Shawn Gallagher verliebt!« Brenna fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. »Das wäre ein schönes Durcheinander. Ganz sicher würden wir uns innerhalb
weniger Monate vollends in den Wahnsinn treiben – ich ihn, weil ich einfach ständig etwas zu tun haben muss, und er mich, weil er den ganzen Tag verträumt. Der Mann schafft es noch nicht mal, dran zu denken, einen Stecker in die Steckdose zu stecken, geschweige denn, dass er auch nur den Hauch einer Ahnung davon hätte, wie man einen kaputten Stecker repariert.«
»Und was ist daran so schlimm? Schließlich könntest du den Stecker reparieren. Und ohne seine Träume würde er sicher nicht so wunderbare Lieder komponieren.«
»Und was nützt ihm die Musik, wenn er nichts aus ihr macht?« Brenna winkte ab. »Ach, es ist egal. Keinem von uns beiden ging es je um Liebe. Ich verhalte mich ganz einfach wie eine typische Frau, und das macht mich wütend. Warum muss für uns Frauen aus anfänglich rein körperlichem Verlangen am Ende nur immer Liebe werden?«
»Vielleicht hast du ihn insgeheim ja immer schon geliebt.«
Brenna hob den Kopf. »Warum in aller Welt redest du plötzlich so vernünftig?«
»Vielleicht, weil du mich zum ersten Mal nicht wie ein dummes kleines Mädchen behandelst. Und vielleicht, weil ich, wenn ich dich so sehe, erkenne, dass das, was ich für Shawn empfunden habe, vielleicht doch keine echte Liebe war. Auf alle Fälle bin ich in Gedanken an ihn nie so bleich geworden oder habe angefangen zu zittern wie Espenlaub. Und …« Sie lehnte sich etwas zurück und warf Brenna ein leicht herablassendes Grinsen zu. »Vielleicht, weil ich es unter den gegebenen Umständen durchaus befriedigend finde, dich so schwach und furchtsam zu erleben. Schließlich hast du mir erst gestern beinahe die Haare mitsamt den Wurzeln ausgerissen.«
»Du warst aber auch nicht gerade zimperlich.«
»Tja, schließlich warst du diejenige, die mir gezeigt hat, wie man kämpft.« Bei der Erinnerung an ihre Auseinandersetzung bekam Katie feuchte Augen. »Tut mir Leid, dass ich dich eine Hure genannt habe. Beim ersten Mal habe ich es aus Wut heraus getan und beim zweiten Mal aus Trotz.« Sie wischte sich die Tränen von den Wangen. »Außerdem tun mir alle die Dinge Leid, die ich über dich in mein Tagebuch geschrieben habe – nun, vielleicht nicht alle, aber doch ein paar.«
»All das soll uns jetzt egal sein.« Sie nahmen sich bei den Händen. »Ich will nicht, dass er oder sonst irgendjemand jemals zwischen uns steht. Aber gleichzeitig bitte ich dich, nicht von mir zu verlangen, dass ich ihn deinetwegen aufgebe.«
»Damit du das Gefühl bekommst, du hättest dich für mich geopfert, und ich vor lauter Schuldgefühlen nicht mehr in den Spiegel sehen kann? Nein, das will ich ganz bestimmt nicht.« Sie zeigte die Spur eines Lächelns. »Wenn ich einen Mann will, suche ich mir lieber einen eigenen. Aber …« Sie neigte den Kopf ein wenig. »Eines würde ich doch noch gerne wissen.«
»Und das wäre?«
»Kann er wirklich so gut küssen, wie man es vermuten würde?«
»Wenn er es sich in den Kopf setzt, bringt er jeden Knochen in deinem Leib zum Schmelzen.«
Mary Kate entfuhr ein Seufzer. »Habe ich’s mir doch gedacht.«
Sie ging zu Fuß zum Cottage, doch als sie dort ankam, waren ihre Gedanken immer noch nicht klarer. Die über der Sonne dahinziehenden Wolken ließen sie vermuten, dass sicher bald ein leichter Regen einsetzen würde.
Ein guter Tag, um gemütlich vor einem Torffeuer zu sitzen. Aber natürlich stieg aus dem Kamin des Cottages wie so häufig auch an diesem Vormittag kein Rauch. An derart praktische Dinge dachte
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